Freitag, 5. Januar 2018

Die Ohlsdorfer Krematorien - Hamburger Bauheft 22

Bauheft 22, Cover
Die verdienstvolle Reihe der "hamburger bauhefte" des Schaff-Verlages, die sich schon im Band 17 mit dem Ohlsdorfer Friedhof befasst hat, ist inzwischen auf 22 Bände angewachsen. Der 22. Band, der Ende 2017 veröffentlicht wurde, ist den beiden Krematoriumsbauten in Ohlsdorf gewidmet. Wobei angemerkt werden muss, dass das Alte Krematorium an der Alsterdorfer Straße im letzten Jahr sein 125jähriges Jubiläum feiern konnte.

Wie schon Band 17 ist auch dieser neue und mit 56 Seiten deutlich umfangreichere Band, den wieder der Kunsthistoriker und Inhaber des Schaff-Verlages Dr. Jörg Schilling verantwortet, sorgfältig recherchiert und mit Anmerkungen und Literaturhinweisen versehen. Der einführende Text zur Feuerbestattungs-Bewegung und speziell zu der damals neuen Bauaufgabe eines Gebäudes, das einen Raum für Abschiedsfeiern und die technischen Einbauten für die Leichenverbrennung unter einem Dach vereinigen sollte, bietet ebenso
sowie der erste Hauptteil zum Alten Krematorium eine sorgfältige Zusammenfassung bisheriger Forschungsergebnisse.

Vielleicht gehört es nicht ganz hierher, aber ich möchte doch in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, dass wir im Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof  1992 zum 100jährigen Jubiläum eine Ausstellung zur Geschichte des Alten Krematoriums erarbeitet hatten. Sie fand in dem damals noch desolaten Gebäude statt, dessen heruntergekommenen Zustand zwei im bauheft abgedruckte Bilder des Denkmalschutzamtes drastisch vor Augen führen. Dazu gaben wir sozusagen als Ausstellungskatalog den Band 4 unserer Schriftenreihe mit dem Titel "Tod und Technik - 100 Jahre Feuerbestattung in Hamburg" heraus, der inzwischen lange vergriffen ist.

Im Band 22 der hamburger bauhefte wird die Geschichte des Gebäude durch Informationen zur Rezeption und zur Restaurierung und neuen Nutzung des Gebäudes ergänzt. (Den Text zur Geschichte nach 1992 durften wir dankenswerter Weise in dem Heft Nr. IV/2017 unserer Ohlsdorf-Zeitschrift vorabdrucken, das dem Jubiläum des Alten Krematoriums gewidmet ist.)

S, 32-33 mit dem Modell des unverwirklichten
und dem Grundriss des verwirklichten Projekts
Ausführlich wird dann die Geschichte des Neuen Krematoriums, das der Hamburger Baudirektor Fritz Schuhmacher entworfen hat, dargestellt. Für diese Bauaufgabe plante Schumacher anfangs eine zentrale Lage in der Stadt. Doch wurde das zweite Hamburger Krematorium schließlich - in deutlich kleinerem Umfang - auf dem Ohlsdorfer Friedhof errichtet. Schilling schildert als erstes die Standortsuche und erläutert dabei zwei frühe Entwürfe, die auch als Modelle im Bild vorgestellt werden. Danach stellt er das umfangreiche und unverwirklichte Projekt Schumachers für den Ohlsdorfer Friedhof vor und beschreibt anschließend die Umstände und die Ausgestaltung des schließlich errichteten Bauwerks.



Der Schumacherbau konnte erst 1933 eingeweiht werden. Der Baudirektor wurde kurz nach der Machtergreifung von den Nationalsozialisten entlassen. Folgerichtig hat der Autor nach der Baugeschichte und Würdigung des Entwurfes von Fritz Schumacher einen Auszug aus dem Buch von Herbert Diercks "Friedhof Ohlsdorf. Auf den Spuren von Naziherrschaft und Widerstand" eingeschoben. In dem zweiseitigen Abschnitt wird berichtet, wie die Nationalsozialisten das neue Krematorium zur Verdunkelung ihrer Mordtaten und zur endgültigen physischen Vernichtung ihrer Gegner benutzten.

Die letzten beiden Kapitel widmen sich der Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg und der Rezeption des Bauwerkes, sowie seiner Sanierung und modernen Erweiterung zum "Forum Ohlsdorf". Dieser Umbau bleibt nicht ohne Kritik, die sich allerdings nicht auf das Gebäude selbst, sondern hauptsächlich auf die Ausgestaltung des Inneren bezieht. Schilling zielt dabei auf den Anspruch Schumachers an sein Gebäude "den Augenblick schmerzvollen Abschieds herauszuheben aus derm Alltäglichen". Mit der Innenraumgestaltung wurde ein "in der Hotel- und Gastronomiebranche erfahrenes Design-Büro" beauftragt, das mit seinem Konzept offenbar den "Hinterbliebenen heute so viel Normalität wie möglich" vermitteln wollte. Auch meiner Meinung nach hat das dazu geführt, dass man sich in dem Vorraum zur neuen Cordeshalle wie in einer Hotellobby fühlt. So kommentiert der Autor denn auch zum Abschluss des Heftes den Einbau des Café Fritz, als "Beitrag, der die Tendenzen der 'Eventisierung' in der Bestattungskultur zu bestätigen scheint. Letztendlich sind damit doch Fritz Schumachers Befürchtungen in Erfüllung gegangen, dass man sich nicht daran halten werde, 'was ursprünglich gewollt war'."

Insgesamt ist dieser Band der Bauhefte reich und zum Teil farbig bebildert und bereichert mit seinen präzisen Texten die Hamburgliteratur mit einen gut lesbaren Überblick über die Geschichte der beiden ältesten Hamburger Krematorien.

hamburger bauheft 22: Jörg Schilling, Die Ohlsdorfer Krematorien von Ernst Paul Dorn und Fritz Schumacher, Schaff Verlag, Hamburg 2017, 56 S., zahlreiche z.T. farbige Abb., 8,00 Euro