Bei seiner Begrüßung ging Dirk Pörschmann, Geschäftsführer Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. und Direktor des Zentralinstituts und Museums für Sepukralkultur, darauf ein, dass die Arbeitsgemeinschaft sich schon relativ früh um die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit gekümmert habe. Gleichzeitig legte er dar, wie sich das Tätigkeitsfeld der ARGE inzwischen gewandelt habe, da die Bedürfnisse der der Angehörigen und Trauernden, immer mehr Gewicht erhalten und zu Veränderungen der Sepulkralkultur führen. Die Vorträge begannen mit einem erneuerten Blick von Gerold Eppler auf die prägende Persönlichkeit Waldo Wenzels und seiner Anhänger. Norbert Fischer weitete die Sicht auf das Nachbarland Österreich, bevor Guus Sluiter die moderne Entwicklung der Friedhofs- und Bestattungskultur in den Niederlanden vorstellte. Da die geplante Internetschaltung zu Julie Rugg nach England nicht möglich war, gab Norbert Fischer in Kurzform eine Vorstellung von ihrer Forschung zur Friedhofsreform in England. Den Schluss bildete die kenntnisreiche Betrachtung des Tolke witzer Krematoriums von Fritz Schumacher durch Ulrich Hübner.
Gerold Eppler ging in seinem Vortrag von den Reformbestrebungen Hans Grässls in München aus und zeigte auf, dass Waldo Wenzel die Traditionslinie dieser ersten rigorosen Bestimmungen zur Friedhofsgestaltung konsequent fortsetzte. Die entsprechenden Impulse des Reichsausschusses reichen weit in die Nachkriegszeit hinein. So wurde die während des Nationalsozialismus durchgesetzte „Reichsmusterfriedhofsordnung“ mit ihren teilweise rigiden Richtlinien zur Grabmalgestaltung von Wenzels Nachfolger, dem Begründer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal Werner Lindner (1883 – 1964), weiterhin propagiert und blieb bis in die 1960er Jahre unverändert gültig.
Gerold Epplers zeigte auf, dass Waldo Wenzel sich selbst dann nicht vom Nationalsozialismus abwandte, als er direkt am Ort eines schweren Verbrechens tätig war: 1941 leitete er den Umbau der „Landesheil- und Pflegeanstalt“ auf dem Sonnenstein in Pirna zur ersten Reichsverwaltungsschule. Dort waren bis dahin körperlich und geistig behinderte Menschen, sowie Häftlinge aus Konzentrationslagern im Rahmen der Aktion T4 systematisch ermordet worden.
Diese Verstrickung darf aber nicht die Ideen der Reformbewegung in allen ihren Facetten diskreditieren. In der anschließenden Diskussion machte Norbert Fischer deutlich, dass es sich in gewisser Weise um eine typisch deutsche Biografie handelt, die nach 1945 ungebrochen fortgesetzt werden konnte. Dirk Pörschmann wies darauf hin, dass die Reformbewegung in einer Zeit entstand, in der das Individuum noch keine so große Rolle spielte wie heute und man der Meinung war, dass es nicht in der Lage sei weitreichende Entscheidungen zu treffen. Deshalb hielt man es für angemessen Entscheidungen von außen zu lenken. Allerdings fügte er hinzu, dass Geschmackserziehung nicht funktioniert und die Reformbestrebungen als gescheitert anzusehen sind. Die Frage, warum es so lange gedauert hat, bis in der Arbeitsgemeinschaft die Ideen der Reformbewegung nicht mehr vertreten wurden, beantwortete Gerold Eppler mit dem Hinweis auf die Zielgruppe und erläuterte, dass besonders die Handwerker ab 1954 durch den Vorsitzenden Hans-Kurth Boehlke Anerkennung und Heimat in der Arbeitsgemeinschaft gefunden hätten, wobei die nationalsozialistische Vergangenheit nicht nur in Kassel „kollektiv beschwiegen“ wurde.