Dienstag, 18. Juli 2017

Die Grabmalkunst von Karl Friedrich Schinkel

Buchcover: Rehberger, Schinkel
Mit diesem Buch hat Lena Rebekka Rehberger erstmals einen breit angelegten wissenschaftlichen Katalog der von Schinkel entworfenen Grabmäler vorgelegt, verbunden mit einer ausführlichen kunsthistorischen und gesellschaftspolitischen Einordnung dieser sepulkralen Werke. Dabei besticht ihr Werk als opulenter Bild- und Textband durch seine zahlreichen exzellenten Abbildungen, die teilweise in Farbe wiedergegeben sind.

In der Einleitung definiert Rehberger die Entwurfszeichnungen Schinkels für Grabmale und Mausoleen sowie die davon ausgehenden ausgeführten Werke als ihren Untersuchungsgegenstand. Bis dato waren diese Kunstwerke noch nie als Konvolut behandelt worden. Deshalb nennt sie als Ziel, "durch Analyse und Deutung von Schinkels gesamter Grabmalkunst mit Bezugnahme auf die zeitgenössische Trauerbewältigung und den kulturpolitischen Hintergrund die spezifische Rolle" des Künstlers für die Entwicklung der Sepulkralkunst herauszuarbeiten.

Dabei vergisst die Autorin nicht den bisherigen Forschungsstand zu umreißen und ihre Quellen zu benennen, deren Fülle beeindruckend ist. Die Autorin hat sowohl die in Stein oder in Metall ausgeführten Grabmale und Mausoleen in ganz Deutschland und Polen ermittelt und persönlich besichtigt, wie bei der Zuordnung der Entwurfszeichnungen zu den ausgeführten Werken zahlreiche Archive und Museen zu Rate gezogen.


Einführend widmet sich die Autorin dem "Ästhetischen Blick auf die Vergänglichkeit" und stellt dabei die Verbindung zwischen der sich wandelnden Erinnerungskultur und der Verbreitung des englischen Gartens um 1800 heraus. In der Folge ihrer Untersuchung knüpft sie daran immer wieder an, wenn sie die Aufmerksamkeit auf die landschaftliche Rahmung der Schinkel'schen Mausoleums- und Grabmalentwürfe lenkt.

Farbabbildungen aus Rehberger, Die Grabmalkunst von Karl Friedrich
Schinkel, S. 196-7; li: Entwurfzeichnung für Grabmal an der
 Cestiuspyramide, re: Grabmal Witzleben, Invalidenfriedhof Berlin,
re unten: Entwurf Grabmal von Klinggräf 
In den frühen Entwurfszeichnungen arbeitet Rehberger besonders die Nähe zu den Werken von Gilly heraus, dem Lehrer und Freund des Künstlers. Ein erstes Hauptkapitel gilt dann den Grabmälern aus Gusseisen. Von ihnen wurde ein wesentlicher Teil auf einen konkreten Auftrag hin konzipiert und in der Königlichen Eisengießerei zu Berlin, für die Schinkel als einer der führenden Künstler arbeitete, ausgeführt. Gusseisen hatte im Kontext der Befreiungskriege gegen Napoleon eine neue patriotische Bedeutung erhalten. Das eigentlich preiswerte Material wurde durch das von Schinkel entworfene Eiserne Kreuz als Zeichen der Opferbereitschaft legitimiert und dadurch stark aufgewertet. Rehberger zeigt, wie Schinkel die filigranen Möglichkeiten des Material sowohl für neugotische Entwürfe mit zierlichen krabben-besetzten Fialen als auch für schlichte klassizistische Monumente nutzt. Auch hier werden wieder Verbindungen zum Landschaftspark gezogen, wenn zum Beispiel baldachinartige Grabmale mit Gartenpavillons und Brunnenaufbauten (S. 58/59) konfrontiert werden. Überraschend ist dabei, dass aus gusseisernen Platten auch große Grabmalaufbauten zusammengesetzt wurden, wie z.B. der tempel-ähnliche Aufbau für die Majorin von Klinggräff auf dem Kirchhof in Chemnitz.oder der Kenotaph für Karl Friedrich Baath im Gutspark Behlendorf in Brandenburg. Rehberger zeigt dabei immer wieder die Entwicklungsschritte auf, die sich an Schinkels verschiedenen Entwürfen nachvollziehen lassen. Sie weist zudem darauf hin, auf welche konkreten antiken Vorbilder der Künstler zurückgreifen konnte, teilweise weil sie in Stichwerken publiziert waren, z.T, aber auch, weil er sie auf seinen Reisen selbst gesehen und skizziert hatte. Dabei ist die Fülle unterschiedlicher Entwürfe nicht nur für die Grabmale aus Gusseisen beeindruckend. Ebenso eindrucksvoll ist zu sehen, dass besonders die einfachen Grabmale Schinkels - die Kreuzform mit Dreipass-Enden oder der Zippus mit Bekrönung - vorbildhaft wirkten und im 19. Jahrhunderts vielfach wiederholt wurden.

Das zweite umfangreiche Hauptkapitel gilt Schinkels Entwürfen für Mausoleen, Gruftbauten und Grabmale aus Stein. Dabei geht es hauptsächlich um Monumente für Mitglieder der preußischen Oberschicht; berühmte Grabmale, wie das für den Staatskanzler Karl August Freiherr von Hardenberg in Neuhardenberg, für die Ehefrau Wilhelm von Humboldts im Tegeler Schlosspark oder auch das Denkmal für General Scharnhorst in Berlin werden dabei ebenso wie unbekanntere Bauten und Grabmale ausführlich vorgestellt und in ihren historischen Kontext gestellt; beginnend mit der Auftragsvergabe über die unterschiedlichen Entwürfe bis zur Ausführung. Durch ihre akribische Forschungsarbeit ist es der Autorin dabei möglich selbst zu den bekannten Denkmalen noch eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zu präsentieren.

Das folgende Kapitel befasst sich mit den Grabmalentwürfen für das Preußische Königshaus, dem Schinkel besonders eng verbunden war. Eindrucksvoll interpretiert Rehberger den ersten gotisierenden Entwurf für das Mausoleum der Königin Luise. Ideengeschichtliche Zusammenhänge - z.B. die religiöse Symbolik der Farben in Runges Farbenlehre - fließen in diese Deutung ebenso ein wie die zeitgenössische Architekturideen der vegetabilen Gestaltung des Innenraumes, die schon in den Palmsäulen der Leipziger Nikolaikirche vorgebildet war. Da der König diesen "traumhaften" Entwurf ablehnte, entstand das Mausoleum - nach einer königlichen Skizze - als antiker Tempel im Schlosspark von Charlottenburg. Mit zahlreichen Abbildungen von Entwürfen wie mit Fotos der ausgeführten Grabmäler vermag die Autorin zudem die enge Verbindung zwischen dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) und dem Architekten zu belegen. Bei der Ausgestaltung der Grabmale, die der Kronzprinz seinen verehrten Erziehern und Lehrern - Johann Friedrich Gottlieb Delbrück in Zeitz, Barthold Georg Niebuhr in Bonn und Jean Pierre Frédéric Ancillon in Berlin - stiftete, arbeiteten sie sozusagen Hand in Hand.

Abschließend kann die Autorin ihre These belegen, dass "sich die Harmonisierung von Architektur und Natur wie ein roter Faden" durch die Grabmalkunst Schinkels zieht. Dabei überwiegt gerade bei den aus Stein gearbeiteten Grabmonumenten und Mausoleen die Idee des intimen "sakralen" Bereiches als "ein aus der umgebenden Landschaft ausgegrenzter >heiliger< Raum", der der privaten Trauer und "melancholischen Kontemplation" gewidmet war (S. 284). Schinkel wirkte mit seiner individuell an die Wünsche seiner Auftraggeber angepassten Grabmalkunst in hohem Maße stilbildend für die nachfolgenden Künstlergeneration, was die Autorin am Schluss noch einmal an den Werken von Martin Gropius verdeutlichen kann. Abschließend öffnet die Autorin ihr Forschungsfeld in die Zukunft, wenn sie darauf hinweist, dass eine umfassende Untersuchung der nach Schinkels Zeit, also für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts noch aussteht, auch wenn es schon Einzeluntersuchungen wie das Werk von Anna Götz über das "Schlagbild" der Trauernden gibt.

Ein ausführlicher Anhang mit Quellen-, Literatur- und Abbildungsverzeichnis vervollständigt diese umfassende Studie. Mit ihrer Vielfalt und Fülle von Informationen und Interpretationen bildet dieses Werk eine großartige Bereicherung für das Verständnis der Sepulkralkultur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.  

Lena Rebekka Rehberger, Die Grabmalkunst von Karl Friedrich Schinkel. Deutscher Kunstverlag 2017, 312 Seiten mit 31 farbigen und 324 schwarzweißen Abbildungen, 39,90 €