Dienstag, 22. November 2022

Wangen im Allgäu - Der Alte Gottesacker

Cover des Buches über den Alten Gottesacker in Wangen
 Der Alte Gottesacker in Wangen ist unter Freunden der historischen Friedhöfe als Besonderheit bekannt, denn er ist einer der wenigen Friedhöfe, die in der Form eines Camposanto in Deutschland erhalten sind, und er war nicht wie die anderen deutschen Camposantos protestantisch, sondern gehörte der katholischen Kirche (s.dazu auch diese und diese Rezension in diesem Blog). Anläßlich des 500jährigen Jubiläums seiner Weihe ist im Jahr 2021 ein Buch über diesen Friedhof erschienen, in dem nicht nur der Alte Gottesacker gewürdigt, sondern auch die ganze Friedhofsgeschichte des Ortes ausführlich dargestellt wird. 

Diese Geschichte beginnt mit dem Kapitel "Der alte Tod - Vom Sterben, Bestatten und Erinnern in alter Zeit", in dem von der städtischen Bestattungskultur Wangens und ihren Besonderheiten erzählt wird: beginnend mit der Vorbereitung auf den Tod, über Aufbahrung, Leichenzug und Tumba - einem "Ersatzaufbau", der anstelle des Sarges in der Kirche aufgestellt werden konnte - bis zur Beisetzung, Testamentseröffnung und Totenmahl. Ein eigenes Unterkapitel ist der katholischen Erinnerungskultur gewidmet, die mit Totengedächtnistagen, Seelmessen und Stiftungen für die Armen einherging, wobei den Armen das Brot gern über dem Grab des Stifters gereicht wurde. Verbunden war diese Erinnerungskultur mit dem Glauben an das Fegefeuer, das für die armen Seelen durch Gebete, Weihwasserspenden und milde Gaben gelindert werden konnte. Interessant ist dabei der Hinweis auf eine besondere Brotform mit dem Namen "Seele", die noch heute in Wangen gebacken wird. Ihr und damit dem Andenken an die toten Seelen ist ein modernes Kunstwerk auf dem schon lange aufgelassenen Alten Gottesacker gewidmet. 

Montag, 14. November 2022

Allerseelengarten - Friedhöfe als Orte der Trauer

So könnte der Allerseelengarten blühen (Foto Leisner)
Das Thema Trauer und Friedhof rückt inzwischen immer mehr in den Vordergrund. Gerade erreichte mich die Pressemitteilung der Initiative Raum für Trauer, in der darauf hingewiesen dass eine bundesweite Forschungsinitiative eine wichtige Funktion von Beisetzungsorten darin erkannt hat, dass diese für die Hinterbliebenen eine psychologischen Wirkung haben können. Friedhöfe spielen als „Abschiedsraum für Trauernde“ eine bedeutende Rolle, die "ein großes Potential für das psychische Wohlergehen von Bürgerinnen und Bürgern" hat und, wenn sie mehr beachtet würde, ein wichtiger Beitrag der Kommunen und Kirchen sein könnte, Fürsorge für Menschen in Lebenskrisen zu leisten. Der Sprecher der Initiative Günter Czasny stellte sagt dazu: „Für die Integration dieser Erkenntnisse sind oft nur kleine Veränderungen notwendig. Durch sie kann der Friedhof einen wertvollen Beitrag für das psychische Wohlergehen leisten und erlebbar machen und so letztlich das gesellschaftliche Miteinander verbessern.“

Eine interessante Idee dazu ist in Amsterdam entwickelt worden: Die beiden Friedhöfe der "Nieuwe Ooster" und der "Nieuwe Noorder Begraafplats" in Amsterdam haben zu den katholischen Totengedenktagen Anfang November mit dem "Garten für alle Seelen" ein besonderes Angebot für Trauernde entwickelt. 

Der Garten wird in der zugehörigen Website als "kleine, grüne und intime Gedenkstätte" beschrieben, die als koronasichere Alternative zu der großen Veranstaltung des beleuchteten Gedenkabends "Remembrance Illuminated" entwickelt wurde. Diese außerordentlich gut besuchte Veranstaltung des Friedhofs konnte aufgrund der Pandemie nicht mehr durchgeführt werden. Mit der Alternative des Allerseelengarten gestalten nun die beiden Friedhöfe einen "neuen Moment der Erinnerung", mit Musik und Gedichten und "verursachen dabei aber weniger Abfall/Emissionen und pflanzen gemeinsam neues Leben. So schließen wir den Kreis und kümmern uns um die Stadt und die Erde", heißt es vonseiten der Verwaltung. 

Zum ersten Mal wurde jetzt am 2. November dort der Verstorbenen des vergangenen Jahres gedacht. Menschen, die kürzlich jemanden verloren hatten und speziell jene, deren Angehörige auf dem Friedhof in letzen Jahr beerdigt worden sind, waren den ganzen Nachmittag über dazu eingeladen, als Erinnerung an ihre Verstorbenen eine Blumenzwiebel zu pflanzen. 

Im Frühjahr wird sich der Allerseelengarten so in einen üppigen Blumengarten verwandeln und von dem Wiedererstehen neuen Lebens künden. 

Parallel dazu konnten Fotos der Verstorbenen auf die Website: https://tuinvoorallezielen.nl/ hochgeladen werden. Wer einen Eindruck von der Veranstaltung bekommen möchte, sollte das Youtube-Video (https://www.youtube.com/watch?v=nEM9cK4KmLM) von Edwin Butter anschauen!

 

Mittwoch, 9. November 2022

Sachsen-Anhalt - Orte des Gedenkens und Lernens

Cover
"Orte des Gedenkens und Lernens" ist der Titel einer zweibändigen und sehr dicken Publikation, die das Ministerium für Inneres und Sport in Sachsen-Anhalt herausgegeben hat. Im Untertitel wird deutlich, worum es geht: Es handelt sich – immerhin 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – um die Bestandsaufnahme der "Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1952 auf dem Gebiet des heutigen Landes Sachsen-Anhalt". In der Pressemitteilung ist zu lesen, dass damit nach zweijährigen Erhebungsarbeiten erstmals eine vollständige Übersicht der im Land vorhandenen Kriegsgräber vorliegt. Redaktionell verantwortet wird diese Publikation von Dr. Lutz Miehe aus dem Ministerium, und Jan Scherschmidt, Landesgeschäftsführer und Philipp Schinschke, Bildungsreferent für Jugend-, Schul- und Bildungsarbeit des Landesverbandes des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

Ein sehr informativer Artikel von Philipp Schinschke leitet den Gräberkatalog ein. Von der Geschichte des Kriegsgräberrechtes in Deutschland ausgehend geht der Autor auf die unterschiedliche Gräberfürsorge in der Bundesrepublik und der DDR ein. Daran schließt er Darstellungen des Umgangs mit den unterschiedlichen Gruppen aller jener an, die in den – heute als Gräber von Krieg und Gewaltherrschaft deklarierten – Grabfeldern und Einzelgrabstätten bestattet sind. Für die Felder der Soldatengräber stellt er fest, dass es sich in Sachsen-Anhalt entweder fast ausschließlich um deutsche Tote oder um Anlagen mit verstorbenen sowjetischen Staatsbürgern handelt (S. 33). In den Gräbern von Zivilpersonen sind neben zivilen Bombenopfern auch Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen bestattet, denen die Luftschutzbunker während der ab Januar 1945 in Mitteldeutschland einsetzenden schweren Luftangriffe verwehrt waren. Auch die Opfer der Morde aufgrund des „Euthanasie-Programms“ der Nationalsozialisten fallen in diese ins sich sehr unterschiedliche Gesamtgruppe. Ein weiterer Teil der in der Publikation aufgeführten Grabstätten, gehören den frühen politischen Gegnern und den späteren Widerstandskämpfern, die ermordet oder hingerichtet wurden, unter ihnen die vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilten Mitglieder der „Danz-Schwantes-Gruppe“. Die Gräber derjenigen, die sich zur Zwangsarbeit in Deutschland verschleppt in den beiden großen Konzentrationslagern des Landes und in ihren zahlreichen Außenlagern zu Tode schufteten und besonders jene Gräber der Häftlinge, die am Ende des Krieges auf den sogenannten Todesmärschen umkamen, nehmen dabei einen besonderen Raum ein, da es in Sachsen-Anhalt bei Kriegsende zu grausamen Massakern an den Häftlingen kam. Da sich entlang der Marschrouten weitere Verbrechen an den Häftlingen ereigneten, finden sich dort auf vielen kleinen Friedhöfen ihre Gräber. Eingeschlossen in das Gräbergesetz sind auch die Orte, wo Menschen bestattet sind, die nach Kriegsende Opfer des kommunistischen Regimes wurden. Allerdings werden in der Publikation nur wenige genannt und nur die „Torgauer Häftlingsurnen“ auf dem Gertraudenfriedhof in Halle und die „Toten aus der Klausener Straße“ auf dem Westfriedhof in Magdeburg genauer vorgestellt.