Mittwoch, 15. Dezember 2021

Das Symposium zur Friedhofsreformbewegung in Dresden 2021

Heute kam die neue Ausgabe der Zeitschrift Friedhof und Denkmal ( 4/2021) bei mir an. Ein Schwerpunkt der Ausgabe liegt auf dem Symposium zur Friedhofsreformbewegung, zu dem die ARGE aus Anlass des 100. Jahrestages ihrer Gründung am 16.10.2021 nach Dresden eingeladen hatte. Von mir ist darin ein Symposiumsbericht zu lesen, der auf den Videos der Tagungsvorträge beruht. Zugleich sind auch vier Beiträge der Tagung in diesem Heft publiziert, nämlich Norbert Fischer "100 Jahre Friedhofs- und Grabmalreform" und "Über die Feuerbestattung in Österreich als Reformprojekt von Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie", Gerold Eppler "Waldo Wenzel. Die Friedhofsreform zwischen den beiden Weltkriegen" und Julie Rugg, "Rasenfriedhöfe und die 'Demokratisierung' des Todes in Großbritannien". 
 
Mein eigener Text folgt hier leicht gekürzt: Bei dem Symposium ging es um die Friedhofsreformbewegung im europäischen Kontext. Die Wahl auf Dresden als Tagungsort war natürlich deshalb gefallen, weil die Vorgängerorganisation der Arbeitsgemeinschaft, der Reichsausschuss Friedhof und Denkmal, dort am 15. Oktober 1921 ihre erste Sitzung abhielt. Bereits 1996 hatte sich die Arbeitsgemeinschaft intensiv mit der Friedhofsreform bewegung befasst. Damals hatte Gerold Eppler erstmals die Rolle näher beleuchtet, die Waldo Wenzel (* 12. November 1879 in San Fernando, Chile, † 24. November 1952 in Dresden) im Nationalsozialismus gespielt hatte.

Bei seiner Begrüßung ging Dirk Pörschmann, Geschäftsführer Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. und Direktor des Zentralinstituts und Museums für Sepukralkultur, darauf ein, dass die Arbeitsgemeinschaft sich schon relativ früh um die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit gekümmert habe. Gleichzeitig legte er dar, wie sich das Tätigkeitsfeld der ARGE inzwischen gewandelt habe, da die Bedürfnisse der der Angehörigen und Trauernden, immer mehr Gewicht erhalten und zu Veränderungen der Sepulkralkultur führen. Die Vorträge begannen mit einem erneuerten Blick von Gerold Eppler auf die prägende Persönlichkeit Waldo Wenzels und seiner Anhänger. Norbert Fischer weitete die Sicht auf das Nachbarland Österreich, bevor Guus Sluiter die moderne Entwicklung der Friedhofs- und Bestattungskultur in den Niederlanden vorstellte. Da die geplante Internetschaltung zu Julie Rugg nach England nicht möglich war, gab Norbert Fischer in Kurzform eine Vorstellung von ihrer Forschung zur Friedhofsreform in England. Den Schluss bildete die kenntnisreiche Betrachtung des Tolke witzer Krematoriums von Fritz Schumacher durch Ulrich Hübner.

Gerold Eppler ging in seinem Vortrag von den Reformbestrebungen Hans Grässls in München aus und zeigte auf, dass Waldo Wenzel die Traditionslinie dieser ersten rigorosen Bestimmungen zur Friedhofsgestaltung konsequent fortsetzte. Die entsprechenden Impulse des Reichsausschusses reichen weit in die Nachkriegszeit hinein. So wurde die während des Nationalsozialismus durchgesetzte „Reichsmusterfriedhofsordnung“ mit ihren teilweise rigiden Richtlinien zur Grabmalgestaltung von Wenzels Nachfolger, dem Begründer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal Werner Lindner (1883 – 1964), weiterhin propagiert und blieb bis in die 1960er Jahre unverändert gültig.

Gerold Epplers zeigte auf, dass Waldo Wenzel sich selbst dann nicht vom Nationalsozialismus abwandte, als er direkt am Ort eines schweren Verbrechens tätig war: 1941 leitete er den Umbau der „Landesheil- und Pflegeanstalt“ auf dem Sonnenstein in Pirna zur ersten Reichsverwaltungsschule. Dort waren bis dahin körperlich und geistig behinderte Menschen, sowie Häftlinge aus Konzentrationslagern im Rahmen der Aktion T4 systematisch ermordet worden.

Diese Verstrickung darf aber nicht die Ideen der Reformbewegung in allen ihren Facetten diskreditieren. In der anschließenden Diskussion machte Norbert Fischer deutlich, dass es sich in gewisser Weise um eine typisch deutsche Biografie handelt, die nach 1945 ungebrochen fortgesetzt werden konnte. Dirk Pörschmann wies darauf hin, dass die Reformbewegung in einer Zeit entstand, in der das Individuum noch keine so große Rolle spielte wie heute und man der Meinung war, dass es nicht in der Lage sei weitreichende Entscheidungen zu treffen. Deshalb hielt man es für angemessen Entscheidungen von außen zu lenken. Allerdings fügte er hinzu, dass Geschmackserziehung nicht funktioniert und die Reformbestrebungen als gescheitert anzusehen sind. Die Frage, warum es so lange gedauert hat, bis in der Arbeitsgemeinschaft die Ideen der Reformbewegung nicht mehr vertreten wurden, beantwortete Gerold Eppler mit dem Hinweis auf die Zielgruppe und erläuterte, dass besonders die Handwerker ab 1954 durch den Vorsitzenden Hans-Kurth Boehlke Anerkennung und Heimat in der Arbeitsgemeinschaft gefunden hätten, wobei die nationalsozialistische Vergangenheit nicht nur in Kassel „kollektiv beschwiegen“ wurde.

Dienstag, 7. Dezember 2021

Grüfte und Mumien - Band 66 der Zeitschrift "Das Alterum"

Der Band 66/1 der Zeitschrift das Altertum widmet sich ausführlich dem Thema Gruft verbunden mit der darin stattfindenden Mumifizierung von Leichen. Die Hauptautoren dieses Bandes sind die beiden Gruftforscher*innen Regina und Andreas Ströbl. Sie stellen in ihrer Einführung den Gruselfaktor der Ausstellung von Mumien ethischen Überlegungen gegenüber. Die folgenden Beiträge spannen einen Bogen von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert. Bei der Frage nach der der Technik von Konservierungsmethoden wird zugleich auch ihr Zweck untersucht. Zudem geht es um den Umgang mit Grablegen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten interdisziplinär erforscht und restauriert wurden, wobei in diesem Heft erstmalig neue Ergebnisse dieser Forschung vorgestellt werden und besondere Einblicke in das Leben der Menschen früherer Epochen und in ihre ganz individuellen Geschichten möglich werden.
Der Einstieg in das Thema wird mit einer Annäherung an Gruften als Phänomene der Bestattungskultur und der Frage, ob es eine Tradition der bewussten Mumifizierung im christlichen Europa gibt, ermöglicht. Darauf folgt ein Beitrag von Johanna Preuß-Wössner u.a. über die abschließende Klärung der Todesursache des Prinzen Adolf aus der Schleswiger Fürstengruft der Herzöge zu Schleswig-Holstein-Gottorf. Bettina Jungklaus stellt die Ergebnisse von osteoanthropologischen Analysen an den sterblichen Überresten von Bestatteten aus der „Unteren Fürstengruft“ im Schleswiger Dom vor. Danach widmen sich die Ströbls der weltberühmten, aber kaum erforschten Catacombe dei Cappuccini in Palermo und stellen zum Schluss Aspekte zur Leichenkonservierung in der Frühen Neuzeit zur Diskussion. Damit ermöglicht dieser Band einen guten Überblick über die zeitgenössische Gruftforschung und ihre interessanten Ergebnisse. 

Hier das Inhaltsverzeichnis: 

Regina und Andreas Ströbl, Zum Geleit: Mumien und Grüfte – Faszination ohne Gruselfaktor 

Regina und Andreas Ströbl, Warum Familiengrüfte? – Annäherung an ein Phänomen der Bestattungskultur 

Regina und Andreas Ströbl, „...und werde in meinem Fleisch Gott sehen“ – der Leib im christlichen Grab 

Johanna Preuß-Wössner, Fürstlicher Besuch im CT – Klärung der Todesursache bei u.a. einer Mumie durch Bildgebung 

Bettina Jungklaus „Das Leben ist nur ein Moment, der Tod ist auch nur einer.“ Ergebnisse der osteoanthropologischen Analysen an den sterblichen Überresten der Bestatteten aus der „Unteren
Fürstengruft“ im Schleswiger Dom 

Regina und Andreas Ströbl, Weltberühmt und kaum erforscht – Die Catacombe dei Cappuccini in Palermo 

Regina und Andreas Ströbl, „...wie man die verstorbene Leichnam und Todten Cörper einwürtzen und Balsamieren soll“ – Aspekte zur Leichenkonservierung in der Frühen Neuzeit 

DAS ALTERTUM, Band 66/1, ISENSEE VERLAG ISSN 0002-6646 Band 66 (2021)

Freitag, 3. Dezember 2021

Ein Friedhof für alle Bekenntnisse - Der Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin

Cover: Ein Friedhof für alle Bekenntnisse
Dieses Buch über den Zentralfriedhof Friedrichsfelde von Jürgen Hofmann ist vom Kommunalpolitischen Forum e.V. in Berlin herausgegeben worden. Es beginnt mit einer zehnseitigen Friedhofsgeschichte. Ausgehend von der Anlage als Parkfriedhof - die Anregungen dazu kamen von dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf - sollte der 1881 in einem ersten Teilstück eröffnete Friedhof allen Berliner ohne "Unterschied der Stände und des religiösen Bekenntnisses" offen stehen. Zugleich wurde dieser Friedhof zu einem Wegbereiter für die Feuerbestattung, da dort lange bevor sie in Preußen 1911 offiziell zugelassen wurde, schon die Möglichkeit zur Urnenbeisetzung vorhanden war. 

Zum "Sozialistenfriedhof", wie dieser Friedhof im Volksmund heißt, wurde der Ort schließlich durch die Beisetzung Wilhelm Liebknechts. Er war einer der Gründerväter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Seine Bestattung fand am 12. August 1900 unter Teilnahme von tausenden Besuchern statt. Später wurden in der Nähe seines Grabes weitere wichtige Parteimitglieder bestattet. Dazu kam die Grabstätte, in der 1919 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, sowie 31 weitere Opfer der Januarkämpfe ihre letzte Ruhe fanden. Zu diesem Ort kommt jährlich im Januar eine große Zahl von Menschen um ihrer zu gedenken. 

Der Autor, der auch auf die Rolle eingeht, die dieser Begräbnisplatz unter den Nationalsozialisten und in der DDR spielte, stellt danach die Bauwerke und Grabanlagen des Friedhofes vor, zu denen auch das 1935 abgerissene und später provisorisch wieder aufgebaute Revolutionsdenkmal, sowie die Gedenkstätte der Sozialisten und der Erhenhain für Verfolgte des Nationalsozialismus gehören. Darauf folgt ein biografischer Führer, der die einzelnen Bestatteten mit Lebensdaten und kurzen Lebensgeschichten vorstellt, wobei diese nicht alphabetisch, sondern nach Grablage geordnet sind. Namensregister, Literaturangaben und ein Friedhofsplan runden diesen Friedhofsführer ab, durch den man im 140. Jahr nach seiner Eröffnung ausführlich über diesen für Sozialdemokraten und Kommunisten bedeutenden Bestattungsplatz informiert wird.

Jürgen Hofmann, Ein Friedhof für alle Bekenntnisse. Der Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin, Berlin 2021, 148 S. zahlr. Farbabb. 10,00 EUR zzgl. Porto.