Dienstag, 22. November 2022

Wangen im Allgäu - Der Alte Gottesacker

Cover des Buches über den Alten Gottesacker in Wangen
 Der Alte Gottesacker in Wangen ist unter Freunden der historischen Friedhöfe als Besonderheit bekannt, denn er ist einer der wenigen Friedhöfe, die in der Form eines Camposanto in Deutschland erhalten sind, und er war nicht wie die anderen deutschen Camposantos protestantisch, sondern gehörte der katholischen Kirche (s.dazu auch diese und diese Rezension in diesem Blog). Anläßlich des 500jährigen Jubiläums seiner Weihe ist im Jahr 2021 ein Buch über diesen Friedhof erschienen, in dem nicht nur der Alte Gottesacker gewürdigt, sondern auch die ganze Friedhofsgeschichte des Ortes ausführlich dargestellt wird. 

Diese Geschichte beginnt mit dem Kapitel "Der alte Tod - Vom Sterben, Bestatten und Erinnern in alter Zeit", in dem von der städtischen Bestattungskultur Wangens und ihren Besonderheiten erzählt wird: beginnend mit der Vorbereitung auf den Tod, über Aufbahrung, Leichenzug und Tumba - einem "Ersatzaufbau", der anstelle des Sarges in der Kirche aufgestellt werden konnte - bis zur Beisetzung, Testamentseröffnung und Totenmahl. Ein eigenes Unterkapitel ist der katholischen Erinnerungskultur gewidmet, die mit Totengedächtnistagen, Seelmessen und Stiftungen für die Armen einherging, wobei den Armen das Brot gern über dem Grab des Stifters gereicht wurde. Verbunden war diese Erinnerungskultur mit dem Glauben an das Fegefeuer, das für die armen Seelen durch Gebete, Weihwasserspenden und milde Gaben gelindert werden konnte. Interessant ist dabei der Hinweis auf eine besondere Brotform mit dem Namen "Seele", die noch heute in Wangen gebacken wird. Ihr und damit dem Andenken an die toten Seelen ist ein modernes Kunstwerk auf dem schon lange aufgelassenen Alten Gottesacker gewidmet. 

Montag, 14. November 2022

Allerseelengarten - Friedhöfe als Orte der Trauer

So könnte der Allerseelengarten blühen (Foto Leisner)
Das Thema Trauer und Friedhof rückt inzwischen immer mehr in den Vordergrund. Gerade erreichte mich die Pressemitteilung der Initiative Raum für Trauer, in der darauf hingewiesen dass eine bundesweite Forschungsinitiative eine wichtige Funktion von Beisetzungsorten darin erkannt hat, dass diese für die Hinterbliebenen eine psychologischen Wirkung haben können. Friedhöfe spielen als „Abschiedsraum für Trauernde“ eine bedeutende Rolle, die "ein großes Potential für das psychische Wohlergehen von Bürgerinnen und Bürgern" hat und, wenn sie mehr beachtet würde, ein wichtiger Beitrag der Kommunen und Kirchen sein könnte, Fürsorge für Menschen in Lebenskrisen zu leisten. Der Sprecher der Initiative Günter Czasny stellte sagt dazu: „Für die Integration dieser Erkenntnisse sind oft nur kleine Veränderungen notwendig. Durch sie kann der Friedhof einen wertvollen Beitrag für das psychische Wohlergehen leisten und erlebbar machen und so letztlich das gesellschaftliche Miteinander verbessern.“

Eine interessante Idee dazu ist in Amsterdam entwickelt worden: Die beiden Friedhöfe der "Nieuwe Ooster" und der "Nieuwe Noorder Begraafplats" in Amsterdam haben zu den katholischen Totengedenktagen Anfang November mit dem "Garten für alle Seelen" ein besonderes Angebot für Trauernde entwickelt. 

Der Garten wird in der zugehörigen Website als "kleine, grüne und intime Gedenkstätte" beschrieben, die als koronasichere Alternative zu der großen Veranstaltung des beleuchteten Gedenkabends "Remembrance Illuminated" entwickelt wurde. Diese außerordentlich gut besuchte Veranstaltung des Friedhofs konnte aufgrund der Pandemie nicht mehr durchgeführt werden. Mit der Alternative des Allerseelengarten gestalten nun die beiden Friedhöfe einen "neuen Moment der Erinnerung", mit Musik und Gedichten und "verursachen dabei aber weniger Abfall/Emissionen und pflanzen gemeinsam neues Leben. So schließen wir den Kreis und kümmern uns um die Stadt und die Erde", heißt es vonseiten der Verwaltung. 

Zum ersten Mal wurde jetzt am 2. November dort der Verstorbenen des vergangenen Jahres gedacht. Menschen, die kürzlich jemanden verloren hatten und speziell jene, deren Angehörige auf dem Friedhof in letzen Jahr beerdigt worden sind, waren den ganzen Nachmittag über dazu eingeladen, als Erinnerung an ihre Verstorbenen eine Blumenzwiebel zu pflanzen. 

Im Frühjahr wird sich der Allerseelengarten so in einen üppigen Blumengarten verwandeln und von dem Wiedererstehen neuen Lebens künden. 

Parallel dazu konnten Fotos der Verstorbenen auf die Website: https://tuinvoorallezielen.nl/ hochgeladen werden. Wer einen Eindruck von der Veranstaltung bekommen möchte, sollte das Youtube-Video (https://www.youtube.com/watch?v=nEM9cK4KmLM) von Edwin Butter anschauen!

 

Mittwoch, 9. November 2022

Sachsen-Anhalt - Orte des Gedenkens und Lernens

Cover
"Orte des Gedenkens und Lernens" ist der Titel einer zweibändigen und sehr dicken Publikation, die das Ministerium für Inneres und Sport in Sachsen-Anhalt herausgegeben hat. Im Untertitel wird deutlich, worum es geht: Es handelt sich – immerhin 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – um die Bestandsaufnahme der "Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1952 auf dem Gebiet des heutigen Landes Sachsen-Anhalt". In der Pressemitteilung ist zu lesen, dass damit nach zweijährigen Erhebungsarbeiten erstmals eine vollständige Übersicht der im Land vorhandenen Kriegsgräber vorliegt. Redaktionell verantwortet wird diese Publikation von Dr. Lutz Miehe aus dem Ministerium, und Jan Scherschmidt, Landesgeschäftsführer und Philipp Schinschke, Bildungsreferent für Jugend-, Schul- und Bildungsarbeit des Landesverbandes des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

Ein sehr informativer Artikel von Philipp Schinschke leitet den Gräberkatalog ein. Von der Geschichte des Kriegsgräberrechtes in Deutschland ausgehend geht der Autor auf die unterschiedliche Gräberfürsorge in der Bundesrepublik und der DDR ein. Daran schließt er Darstellungen des Umgangs mit den unterschiedlichen Gruppen aller jener an, die in den – heute als Gräber von Krieg und Gewaltherrschaft deklarierten – Grabfeldern und Einzelgrabstätten bestattet sind. Für die Felder der Soldatengräber stellt er fest, dass es sich in Sachsen-Anhalt entweder fast ausschließlich um deutsche Tote oder um Anlagen mit verstorbenen sowjetischen Staatsbürgern handelt (S. 33). In den Gräbern von Zivilpersonen sind neben zivilen Bombenopfern auch Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen bestattet, denen die Luftschutzbunker während der ab Januar 1945 in Mitteldeutschland einsetzenden schweren Luftangriffe verwehrt waren. Auch die Opfer der Morde aufgrund des „Euthanasie-Programms“ der Nationalsozialisten fallen in diese ins sich sehr unterschiedliche Gesamtgruppe. Ein weiterer Teil der in der Publikation aufgeführten Grabstätten, gehören den frühen politischen Gegnern und den späteren Widerstandskämpfern, die ermordet oder hingerichtet wurden, unter ihnen die vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilten Mitglieder der „Danz-Schwantes-Gruppe“. Die Gräber derjenigen, die sich zur Zwangsarbeit in Deutschland verschleppt in den beiden großen Konzentrationslagern des Landes und in ihren zahlreichen Außenlagern zu Tode schufteten und besonders jene Gräber der Häftlinge, die am Ende des Krieges auf den sogenannten Todesmärschen umkamen, nehmen dabei einen besonderen Raum ein, da es in Sachsen-Anhalt bei Kriegsende zu grausamen Massakern an den Häftlingen kam. Da sich entlang der Marschrouten weitere Verbrechen an den Häftlingen ereigneten, finden sich dort auf vielen kleinen Friedhöfen ihre Gräber. Eingeschlossen in das Gräbergesetz sind auch die Orte, wo Menschen bestattet sind, die nach Kriegsende Opfer des kommunistischen Regimes wurden. Allerdings werden in der Publikation nur wenige genannt und nur die „Torgauer Häftlingsurnen“ auf dem Gertraudenfriedhof in Halle und die „Toten aus der Klausener Straße“ auf dem Westfriedhof in Magdeburg genauer vorgestellt.

Sonntag, 30. Oktober 2022

Halloween

Halloween naht und es ist Zeit einmal wieder die Geister der Toten hervorzurufen. Diesmal geht es hier um die Geisterfotografie. Das heißt um Fotos, auf denen Geistererscheinungen abgelichtet sind. Neben den Geistern werden natürlich auch noch andere Formen des Übernatürlichen abgebildet, z. B. Ektoplasma oder Materialisationsphänomene. Mehr darüber nachlesen kann man nicht nur auf Wikipedia, sondern auch im "Großen Lexikon zur Bestattungs- und Friedhofskultur - Wörterbuch zur Sepulkralkultur, Bd. 4, Medienkultureller Teil: Von Absurdes Theater bis Zombie" unter dem Stichwort Geisterfotografie.

"Der Mörder sieht den ermordeten Unschuldigen" (1729) (Quelle)
Vorläufer findet man bereits im 17. und 18. Jahrhundert in jenen Kupferstichen, die Begegnungen mit Gespenstern, Engeln und Teufeln darstellen, wie z.B. auf dem Stich von I. V. Gucht mit dem Titel „Der Mörder sieht den ermordeten Unschuldigen deutlich vor seinen Augen“ (1729), der "Universalgeschichte der Geistererscheinungen" von Daniel Defoes (alias Andrew Moreton) zu finden ist. 

Und natürlich gibt es noch ältere Darstellungen von - besonders häufig bösen - Geistern, ist doch z.B. die Bibel voll von ihren Austreibungen durch Jesus Christus.

Die Geisterfotografie konnte aber erst enstehen, als sich die fotografische Technik weit genug entwickelt hatte und als der Spiritismus zu einer Massenbewegung wurde. Verbunden war ihr Aufkommen einerseits mit dem Nimbus des Übernatürlichen, der mit den frühen Fotografien verbunden war, und andererseits der Vorstellung, dass das neue Medium die Realität und nichts als die Realität abbildete.  

Als Begründer dieser Art von Fotografie gilt der Graveur William H. Mumler. Er wurde 1861 durch einen technischen Fehler darauf aufmerksam, dass durch lange Belichtungszeiten oder versehentliche Wiederverwendung von nicht gereinigten Fotoplatten "Schattenbilder" auf Fotografien erscheinen konnten, und inszenierte normale Porträts, in denen der Geist neben oder hinter dem Abgebildeten erscheint. Damit wurde der Glaube unterstützt, dass die Seelen der Toten den Lebenden nahe bleiben. Mumler eröffnete 1869 ein Geisterfoto-Studio in New York. Ein Bericht über diese Art der Fotgrafie erschien 1862 in der Regensburger Zeitung. Schon in aus diesem Text lässt sich eine gewisse Skepsis herauslesen.


Hier eines der Fotos, die von Mumler erhalten sind: Es zeigt Moses A. Dow, den Herausgeber des Waverley Magazine, mit dem Geist von Mabel Warren (um 1871) (Quelle)

Ab den 1880er Jahren wurden dann immer mehr Geisterfotografen als Betrüger überführt. Und die Fotografen selbst machten sich über die Geisterfotografie lustig, wie z.B. in dem Bildband „Eine Geistersoirée“ von Jacoby-Harms (1886), der leider noch nicht digitalisiert ist.


Dienstag, 11. Oktober 2022

Auszeichnung für die Europäische Friedhofskulturroute

In diesem Jahr gab es erstmals die Ausschreibung des "Cultural Routes Best Practices Award", den das zuständige Büro des Europarates (EPA) ins Leben gerufen hat. Mit diesem Preis sollen die besten Praktiken der zertifizierten Kulturstraßen des Europarates gewürdigt werden. Zu diesen gehört auch die Route der Europäischen Friedhofskultur. In Deutschland sind bisher eine Reihe von Berliner Friedhöfen sowie der Ohldorfer Friedhof in Hamburg Mitglieder dieser Route (diese Karte zeigt alle zugehörigen Friedhöfe in Europa). 

Die Europäische Friedhofsroute beteiligte sich an der Ausschreibung und erhielt die außergewöhnliche Auszeichnung für ihr Projekt "Schulen auf Friedhöfen", das seit vielen Jahren von Mitgliedern der Europäischen Friedhofsroute in ganz Europa durchgeführt und entwickelt wird. In diesem Projekt entstehen z.B. kulturelle Tage, Führungen, Spiele für mobile Apps, Schultheater, Forschungs- und Kunstprojekte mit jungen Europäern von der Grundschule bis zur Oberschule. Die Mitglieder der Route haben Schulen dabei besonders deswegen im Blick, weil Schulen verschiedene kulturelle Programme benötigen, um Jugendlichen die Gesellschaft und Kultur näher zu bringen; und Friedhöfe können eine unerwartete, aber wirkungsvolle Erfahrung bieten. Dabei hängt die Zukunft der Friedhöfe von der Einstellung ab, die diese Kinder entwickeln werden, wie die ASCE als Trägerin der Friedhofsroute schreibt. Wenn die Kinder Friedhöfe als kulturelles Erbe ihrer Stadt erleben, kann sich ihre Sichtweise ändern und sie werden eher bereit sein, ihre Erhaltung und zuhörige Projekte zu unterstützen.

Die diesjährige Auszeichnung ist eine wichtige Anerkennung für die Bedeutung dieses Projekts, das weiter gefördert und entwickelt werden soll. Dazu sind alle Mitglieder eingeladen, sich die eingestellten Beispiele und insbesondere das offizielle Modell des Projektprogramms genauer anzusehen.

Mittwoch, 21. September 2022

Transmortale XII - Call for papers

   Logos des Sepulkralmuseum Kassel, Arbeitskreis Thanatologie, Universität Hamburg 

Call for Papers

Die "Transmortale XII – Neue Forschungen zu Sterben, Tod und Trauer", die bisher vom Museum und Zentralinstitut für Sepulkralkultur, Kassel, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Uni­versität Hamburg veranstaltet wurde, soll im nächsten Jahr eine neue Form bekommen und hat mit dem Arbeitskreis Thanatologie der Deut­schen Gesellschaft für Soziolo­gie einen weiteren Veranstalter hinzugewonnen. Im kommenden Jahr soll sie am 24./25. März 2023 im Museum für Sepulkralkultur (Kassel) als Präsensverstaltung stattfinden (und ich persönlich hoffe, dass sie auch online gestreamt wird, damit alle, die nicht nach Kassel kommen können, trotzdem Teil nehmen können!)

Jetzt wird zur aktiven Teilnahme aufgerufen:

"Es gibt drei Varianten der Mitwirkung:

♦ Der erste Tag (24. März) des Workshops ist thematisch offen und steht Nachwuchswissen­schaft­­­ler:innen zur Vorstellung ihrer thanatologisch orientierten Forschungsprojekte und Qua­­l­i­­fikationsarbeiten zur Verfügung.

♦ Der zweite Tag (25. März) ist – thematisch im Einklang mit der dann stattfindenden Sonder­aus­stellung – für wissenschaftliche Vorträge zum Thema ›Trost‹ reserviert.

♦ Ferner besteht die Möglichkeit der Posterpräsentation, bei der junge Wissenschaft­ler:in­nen ihre Erkenntnisse in Form eines Posters darstellen und in kurzen Impuls­vorträgen er­läutern.

Für alle drei Formate können Vorschläge eingereicht werden.

Samstag, 17. September 2022

Arthur Bock (1875-1957) – Ein Hamburger Bildhauer

Auf dieses Buch wurde hier im Blog schon kurz hingewiesen, jetzt folgt eine ausführlichere Besprechung: 

Der Bildhauer Arthur Bock war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Hamburg weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl von ihm massive Bauskulpturen z.B. an den in Hamburg berühmten Landungsbrücken erhalten geblieben sind. In den 1980er Jahren fiel dann während des Forschungsprojektes zur Inventarisation der Grabmale und Grabmalplastiken des Ohlsdorfer Friedhofs auf, dass dort über 50 von diesem Künstler signierte Grabmale erhalten waren. Damit ist er der Bildhauer, der die auf diesem Friedhof meisten Werke hinterlassen hat. In der Folge wurde auch deutlich, dass er mit seinen Grabmalen auch auf vielen anderen Friedhöfen  vertreten ist. 

Katalogseite mit den Plastiken der Winde an den Landungsbrücken in Hamburg
Obwohl Arthur Bock also zu seiner Zeit nicht nur in seiner Heimatstadt Hamburg, sondern weit darüber hinaus bekannt gewesen sein muss und auch Aufträge von der Stadt Hamburg selbst erhielt, wurde sein Werk nach dem Zweiten Weltkrieg kaum noch gewürdigt. Ein Grund dafür dürfte sein, dass der Stil seiner Plastiken zu eng mit der von den Nationalsozialisten propagierten "Deutschen Kunst" verbunden schien und damit nicht mehr Zeitgeschmack nach 1950 entsprach.

Heiko Schulze, der an dem Ohlsdorfer Forschungsprojekt mitgearbeitet hat und danach als Fachreferent für städtebauliche Denkmalpflege am Kieler Denkmalschutzamt tätig war, hat über Jahre hinweg nach weiteren Werken dieses Künstlers gesucht und seine Lebensgeschichte erforscht, die bisher nirgendwo ausführlicher gewürdigt worden ist. Das Ergebnis seiner Arbeit ist jetzt - herausgegeben vom Denkmalschutzamt Hamburg – als umfangreiche Publikation beim Ludwig Verlag in Kiel erschienen.

Mittwoch, 14. September 2022

Spaziergänge zu Skulpturen auf Friedhöfen in Hamburg und Kiel

Titelseite siehe dazu auch: https://sh-kunst.de/buecher/

Der Kieler Fotograf, Redakteur und Webdesigner Jan Petersen unterhält mit Kunst@SH eine Website, auf der er Bilder von öffentlich zugänglichen Kunstwerken in Hamburg und Kiel, die er  persönlich besucht und fotografiert hat, postet und mit selbst recherchierten Informationen verbindet. Darunter sind auch viele Grabmale. Aus seinem Interesse an der Fotografie sind inzwischen einige Bücher hervorgegangen. Als Reihe konzipiert sind die  "Spaziergänge ... zu", in der nun ein Band über Skulpturen auf Friedhöfen in Hamburg und Kiel erschienen ist. 

In ihm präsentiert der Autor fotografische Eindrücke, die er auf verschiedenen, meist parkartig gestalteten Friedhöfen in Kiel und Hamburg gesammelt hat. Wie für viele Friedhofsliebhaber bilden besonders die Friedhöfe des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts mit ihrem Reichtum an plastischen Grabmalen auch für den Autor besondere Orte, in denen die Vergänglichkeit und der Verlust geliebter Menschen deutlich wird. Oder in seinen Worten: "Spaziergänge über die Parkfriedhöfe sind wie Reisen in die Vergangenheit. Nicht nur erinnern sie uns an die Personen, die dort seit Jahrzehnten ihre Ruhe gefunden haben. Ebenso lassen sie uns am künstlerischen Schaffen vergangener Tage teilhaben."

Die Fotos in dem Buch stammen zu einem großen Teil vom Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, daneben sind der Süd- und der Nordfriedhof in Kiel, sowie der Friedhof Eichhof ebendort jeweils mit mehreren Werken vertreten. Weitere Plastiken stammen von den Hamburger Stadtteilfriedhöfen in Harburg, Tonndorf, Rahlstedt und Blankenese. Auf dreiundneunzig Seiten zeigen die mindestens ganz- und oft doppelseitigen Farbfotos nicht nur die Grabmale - manchmal zusätzlich auch ein Detail -, sondern geben auch die besondere Stimmung wieder, die durch die oft sinnende oder abschiednehmende Haltung der Figuren aus Bronze und Marmor und durch ihre Einbettung in die umgebende Friedhofsnatur hervorgerufen wird.

Eingeleitet wird das Buch durch eine kurze Vorbemerkung des Autors. Ein Verzeichnis der Künstlerinnen und Künstler sowie der besuchten Friedhöfe schließt es ab. Friedhofsfreunde aus dem Norden können in diesem Bildband "alte Bekannte" wiederfinden, sie und alle anderen können in den schönen Bildern schwelgen, mit denen die Kunstwerke auf den Friedhöfen in ein neues Licht getaucht werden.

Jan Petersen, Spaziergänge ... zu Skulpturen auf Friedhöfen in Hamburg und Kiel, Spaziergänge zur Kunst – Band 1, Kiel 2022, 96 S., ISBN: 978-3-9820897-2-0 32,00 Euro

Donnerstag, 8. September 2022

Arthur Bock

Ein erster Hinweis: Arthur Bock (1875–1957) war ein Hamburger Bilderhauer, der nicht nur auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg sondern auch auf vielen anderen Friedhöfen mit einer großen Zahl von Grabmalen vertreten ist. Sein Werk geriet nach dem Zweiten Weltkrieg mehr oder weniger in Vergessenheit. 

Jetzt hat Heiko Schulze, der schon am Forschungsprojekt über die Grabmale des Ohlsdorfer Friedhofs und später am Kieler Denkmalschutzamt gearbeitet hat, ein Buch über diesen Künstler veröffentlicht. In einem umfangreichen Werk stellt er Leben und Werk dieses zu seiner Zeit sehr bekannten Künstlers vor, der auch zahlreiche Aufträge von der Stadt Hamburg erhielt. Demnächst folgt hier eine ausführliche Buchbesprechung!

Montag, 22. August 2022

Zu guter Letzt - eine Ausstellung zum (Weiter) Leben

Auf manche Friedhofsereignisse werde ich leider erst spät aufmerksam. Aber es ist noch nicht ganz zu spät, auf das diesjährige Jubiläum des Städtischen Friedhofs in Görlitz hinzuweisen, der vor 175 Jahren eröffnet wurde. Der Veranstaltungsplan des Jubiläumsjahres ist hier zu finden. 

Ein Höhepunkt hat gerade am letzten Wochenende stattgefunden: Die Ausstellung "Zu guter Letzt" wurde in der Alten Feierhalle des Friedhofs eröffnet. Kuratiert von Matthias Wenzel wird die Sammlung Jordan gezeigt, die mit Hilfe von Sponsoren angekauft werden konnte. In ihr spiegelt sich das Trauergedenken im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wider. Ausgestellt sind unter Titeln wie "Zimmerdenkmale", "Dich riefen Gottes Engel", "Mir war der Heldentod beschieden" und "Lebensläufe an der Wand" Bilder, die mit Tod und Erinnerung zu tun haben, darunter befindet sich z.B. die Darstellung der Lebensalter von der Geburt bis zum Tod, aber auch gerahmte Kästen mit Bildern, die aus den Haaren Verstorbener oder aus Eufeuranken gefertigt sind, sowie Haarschmuck und andere Objekte. Die Ausstellung wird zukünftig öffentlich zugänglich sein, Termine werden auf der Website des Friedhofes veröffentlicht.



Auf eine besonderen Veranstaltung, die noch bevorsteht, kann hier immerhin noch verwiesen werden: Am Wochenende 3./4. September wird der Friedhof - in Erinnerung an den Kriegsbeginn am 1. September 1939 und mit dem aktuellen Bezug zu dem Krieg in der Ukraine - den Frieden in den Mittelpunkt stellen. Dann ist das Literaturtheater Dresden mit seiner szenischen Lesung „... und werde Dich immer lieben! Dein Stjopa“ auf dem Friedhof zu Gast, in der anhand von Briefen von der Front, an den deutschen Überfall der Sowjetunion und den darauf folgenden schrecklichen Krieg erinnert wird. In ihnen spiegeln sich Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste der Schreibenden, die oft nicht aus dem Krieg heimkehrten, ebenso wie ihr Wunsch nach dem Ende des Krieges und einem Leben in Frieden.

Montag, 15. August 2022

Online-Petition zur Rettung der Dresdener Friedhöfe

 

Zur Unterstützung des Erhalts der historischen Dresdener Friedhöfe wurde von den Friedhofsfreunden eine Online-Petition gestartet, die unbedingt noch Unterschriften bekommen sollte: https://www.openpetition.de/petition/online/retten-sie-die-historischen-dresdener-friedhoefe-vor-dem-verfall#petition-main

Samstag, 13. August 2022

Undendlich still - Zeitgenössische Kunst auf evangelischen Friedhöfen in Bayern

Website des Ansbacher Stadtfriedhofs zur Ausstellung
Vor einem Jahr habe ich hier das Buch "Evangelische Friedhöfe in Bayern" vorgestellt. Jetzt ist noch bis zum 30. September auf sechs dieser Friedhöfe eine ungewöhnliche Kunstausstellung zu sehen, die im Zusammenhang mit dieser Publikation steht. Nach der Bestandsaufnahme der kirchlichen Friedhöfe und der Erkenntnis ihres Reichtums an eigenen Traditionen und Formen in den Bereichen Geschichte, Kunst, Kultur, Theologie und Spiritualität, wollen die Verantwortlichen den Friedhof als Gestaltungsraum, Dialogfeld und Ort der Erinnerungskultur sichtbarer machen. Durch Kunst und Kultur können Friedhöfe als Erlebnisräume und als Orte des Innehaltens, des Nachdenkens und auch der Hoffnung neu und anders wahrgenommen werden. Mit der Ausstellung soll der Diskurs angeregt und durch die Verbindung einer historisch gewachsenen Friedhofskultur mit zeitgenössischer Kunst neue Einblicke in das Thema Tod und Friedhof ermöglicht werden, wie es in der Ausstellungsbroschüre heißt. Damit soll der Friedhof als Ort der Auseinandersetzung mit dem Sterben wieder stärker ins Bewusstsein gerückt und mit künstlerischen Sichtweisen neu belebt werden: "So sollen sinnlich wahrnehmbare Signale gesetzt werden, den Friedhof als wertvollen Kulturraum auszuweisen und den Ort der Toten mit Leben zu erfüllen. Die Ausstellung soll beispielhaft zeigen, wie Kunst eine Friedhofsanlage zu einem lebendigen Denk- und Experimentierraum erweitern kann."

Insgesamt sind die Arbeiten von achtundzwanzig Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Darunter zum Beispiel die Installation „Pattern of time – Zeichen der Zeit“ aus buntem Spiegelflächen, die das Licht über das Friedhofsgelände und die historischen Grufthäuser des Ansbacher Stadtfriedhofes leiten. Dort gibt es auch Streichholzschachteln mit "kleinen Geistern" bedruckt, die man als gute Geister mit nach Hause nehmen kann um eine Kerze anzuzünden. Den Haupteingang des Protestantischen Friedhofs in Augsburg flankieren zwei große, quadratische Felder, das eine mit einem geöffneten und das ander mit einem geschlossenen Auge, so stehen Leben und Tod einander gegenüber. Wobei dazu erklärt wird, dass sich theologisch betrachtet, das geschlossene Auge nach dem Tod wieder zum ewigen Leben öffnet und damit das Augenpaar zum Sinnbild der Frage nach Diesseits und Jenseits wird. Die Ausstellung besteht aus vielen weiteren sehr interessanten Werken, die in der o.g. Broschüre vorgestellt werden und natürlich auf in Ansbach auf dem Stadtfriedhof, in Augsburg auf dem Protestantischen Friedhof, in Bayreuth auf dem Stadtfriedhof, in Nürnberg auf dem St. Johannisfriedhof, in Oberallershausen und in Regensburg jeweils auf dem Evangelischen Friedhof besucht werden können.

Dazu gab und gibt es noch ein umfangreiches Begleitprogramm mit Künstlergesprächen, Vorträgen und Konzerten. Dazu findet am 15. September 2022 auf dem Johannisfriedhof in Nürnberg das 12. Kunstsymposium der ELKB unter dem Titel "Unendlich still... - Zeitgenössische Kunst auf Friedhöfen – Experiment, Wagnis, Vision" mit Vorträgen und der Besichtigung des Friedhofs zusammen mit den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern statt. (Anmeldung ist bis zum 1. September 2022 möglich - Anmeldung per E-Mail)

Samstag, 23. Juli 2022

Festival Campo Santo in Buttstädt

In Buttstädt findet zur Zeit und noch bis zum 6. August auf dem historischen Campo Santo  das Festival Campo Santo statt. Es wird vom Verein Weim|art e.V. initiiert. 

Mit dem Festival soll die Tradition des Hamburger Karasch Ensembles weitergeführt werden, das bis 2013 verschiedene Räume in den ländlichen Regionen Thüringens als öffentliche Spielorte für ihr Sommertheater nutzte. Dazu hat das Festival Camposanto-Team, bestehend aus Berufstätigen und Studierenden aus den Bereichen Kulturmanagement und Kunst, ein unterhaltsames, kulturelles Abendprogramm für den Historischen Friedhof zusammengestellt. Das Programm besteht aus Theatervorführungen, Kabarett und Stummfilm mit Live-Musik und findet jeweils donnerstags, freitags und samstags statt. Dazu findet am 30.7. ein Sommerfest mit einem bunten Programm aus Musik, Lesung, Kurzfilmen und schließlich einer  Lasershow auf dem Friedhof statt. Bilder und Posts dazu findet man auch auf der Facebookseite des Festivals!

Mittwoch, 18. Mai 2022

QR-Codes auf dem Alten Niendorfer Friedhof in Hamburg

In Deutschland gibt es, soweit mir bekannt (in diesem Blog wurde hier darüber berichtet), bisher kaum Friedhöfe, auf denen Besucher über QR-Codes an den Gräbern Informationen über die Bestatteten und eventuell auch das jeweilige Grabmal aufrufen können. Jetzt wurde der Alte Niendorfer Friedhof in Hamburg mit diesem besucherfreundlichen Informationsangebot ausgerüstet.

Dieser Friedhof war bereits im 19. Jahrhundert bei Hamburger Bürgern sehr beliebt. Sie zogen besonders gern im Sommer aus der Stadt in die noch ländlichen Dörfer Lokstedt, Niendorf und Schnelsen hinaus und bald ließen sich dort einige wohlhabende Hamburger ihre Sommervillen mit Parkanlagen oder sogar ihren Hauptwohnsitz errichten. Da lag es nahe auch eine Gruft oder einen Grabplatz auf dem nahen Friedhof zu erwerben. Daher finden sich auf diesem, neben der alten Niendorfer Kirche liegenden Friedhof, eine ganze Reihe von Grabstätten mit bekannten Namen von Hamburger Kaufleuten, Bankiers und Reedern. Diese Grabstätten sind inzwischen zum Teil in den Besitz des Friedhofes übergegangen und werden als Denkmal erhalten.


 

Jetzt hat die Niendorfer Kirchengemeinde, die Friedhofsverwaltung und der Geschichtsverein Forum Kollau e.V. ein Informationskonzept erarbeitet und umgesetzt, zu dem Manfred Meyer, dessen neues Buch über diesen Friedhof in Kürze erscheinen wird, die Informationen beigesteuert hat: An 30 Grabstätten, die über die gesamte Fläche des Friedhofs verteilt sind, wurden kleine Hinweistafeln mit QR-Codes angebracht, über die Informationen und Geschichten zu den Bestatteten im Internet aufgerufen werden können. Die Tafeln sind bewusst klein gehalten und auf einem Standrohr montiert, so dass sie den Gesamteindruck der Ruhestätte nicht stören. Dazu wurden die entsprechenden Grabstätten in einen Plan eingezeichnet.

 
Bisher ist dieses Informationssystem nur über die auf dem Friedhof angebrachten QR-Codes zu erreichen, so dass man sich beim Surfen im Internet nicht auf einen Friedhofsbesuch vorbereiten kann, sondern darauf angewiesen ist, vor Ort direkt mit mobilem Internet unterwegs zu sein. 
 
("Geheimtipp": Man kann die Informationen unter diesen Link https://kirche-in-niendorf.de/uploads/friedhof/01.pdf (es geht weiter mit den Nummern /02.pdf bis /30.pdf) auch ohne Codes im Internet finden.)