Samstag, 17. September 2022

Arthur Bock (1875-1957) – Ein Hamburger Bildhauer

Auf dieses Buch wurde hier im Blog schon kurz hingewiesen, jetzt folgt eine ausführlichere Besprechung: 

Der Bildhauer Arthur Bock war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Hamburg weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl von ihm massive Bauskulpturen z.B. an den in Hamburg berühmten Landungsbrücken erhalten geblieben sind. In den 1980er Jahren fiel dann während des Forschungsprojektes zur Inventarisation der Grabmale und Grabmalplastiken des Ohlsdorfer Friedhofs auf, dass dort über 50 von diesem Künstler signierte Grabmale erhalten waren. Damit ist er der Bildhauer, der die auf diesem Friedhof meisten Werke hinterlassen hat. In der Folge wurde auch deutlich, dass er mit seinen Grabmalen auch auf vielen anderen Friedhöfen  vertreten ist. 

Katalogseite mit den Plastiken der Winde an den Landungsbrücken in Hamburg
Obwohl Arthur Bock also zu seiner Zeit nicht nur in seiner Heimatstadt Hamburg, sondern weit darüber hinaus bekannt gewesen sein muss und auch Aufträge von der Stadt Hamburg selbst erhielt, wurde sein Werk nach dem Zweiten Weltkrieg kaum noch gewürdigt. Ein Grund dafür dürfte sein, dass der Stil seiner Plastiken zu eng mit der von den Nationalsozialisten propagierten "Deutschen Kunst" verbunden schien und damit nicht mehr Zeitgeschmack nach 1950 entsprach.

Heiko Schulze, der an dem Ohlsdorfer Forschungsprojekt mitgearbeitet hat und danach als Fachreferent für städtebauliche Denkmalpflege am Kieler Denkmalschutzamt tätig war, hat über Jahre hinweg nach weiteren Werken dieses Künstlers gesucht und seine Lebensgeschichte erforscht, die bisher nirgendwo ausführlicher gewürdigt worden ist. Das Ergebnis seiner Arbeit ist jetzt - herausgegeben vom Denkmalschutzamt Hamburg – als umfangreiche Publikation beim Ludwig Verlag in Kiel erschienen.
Das Buch beginnt mit einem Kapitel zu Leben und Werk des Künstlers, gefolgt von einem ausführlichen Katalog, der mit über zweihundert Seiten den Hauptteil der Publikation ausmacht. An ihn schließt sich ein Werkverzeichnis, sowie ein ausführlicher Anhang an, zu dem Kurzlebenslauf, Literaturverzeichnis, als Quelle die „Gedanken über das Grabmal“ von Arthur Bock, sowie die Auskunft über einen Teilnachlass und weitere Informationen wie z.B. das Personen- und Ortsregister gehören.

Besonders die Erforschung des bisher weitgehend unbekannten Lebenslaufs von Arthur Bock ist dabei aufgrund der bis unerforschten Quellen, die der Autor aus verschiedenen Überlieferungssträngen zusammengetragen hat, von besonderer Bedeutung. Durch die Forschungen von Heiko Schulze können der Lebensweg und die Einflüsse innerhalb seiner künstlerischen Entwicklung jetzt deutlicher nachvollzogen werden. Einleitend führt der Autor aus, aus welchen Quellen er schöpfen konnte. Denn dadurch, dass der damals schon Achtundsechzigjährige im Zweiten Weltkrieg vor den Bombenangriffen nach Ettlingen in Baden-Württember floh und sein Atelier in Hamburg  ausgebombt wurde, ist außer den Werken des Künstlers in seiner Heimatstadt nichts mehr erhalten. Immerhin kamen aber Teile des Nachlasses als Flohmarktfund wieder ans Licht und ein Großneffe steuerte Auskünfte, Fotos und Briefe bei. 

Arthur Bock hat seine Kindheit in seiner Geburtsstadt Leipzig verbracht, wo er mit siebzehn Jahren eine künstlerische Ausbildung an der Königlichen Kunstakademie und Kunstgewerbeschule Leipzig begann. Später setzte er diese an den Kunstakademien in Dresden und Berlin fort. 1903 siedelte er endgültig nach Hamburg über, wo er mit dem Bildhauer Caesar Scharff, der im Vorjahr gestorben war, ein gemeinsames Atelier unterhalten und erste Werke für den Ohlsdorfer Friedhof geschaffen hatte.
Abbidung eines Atelierfotos und einer Zeitungsseite im Buch
Atelierfotos und ganzseitige Zeitungsartikel aus den Jahren 1906, 1907 und 1911, die in dem Buch großformatig - und damit gut lesbar - wiedergegeben sind, machen deutlich, wie bekannt und berühmt Arthur Bock zu dieser Zeit mit seinen Werken schon war. Neben seiner Tätigkeit als Bildhauer muss er auch als Lehrer an der privaten Malschule der Malerin und Kunstgewerblerin Gerda Koppel tätig gewesen sein. Dagegen bekam er den Professorentitel erst 1914 von dem Herzog von Sachsen, Coburg und Gotha verliehen. Dieser Titel kann nicht mit einer Lehrtätigkeit verbunden gewesen sein und diente offenbar nur der Repräsentation, denn Arthur Bock verwendete ihn von da an stolz in seiner Signatur. 

Ausführlich geht Heiko Schulze auf das Verhältnis des Künstlers zu den Mäzenen Oscar Troplowitz und Ludwig Julius Lippert in Hamburg ein, sowie auf seine Teilnahme an Ausstellungen und anderen Aktivitäten nach 1914. Ein weiteres Kapitel widmet sich Arthur Bocks Werken und ihrer Bedeutung, wobei der Autor aufzeigen kann, wie vielfältig und materialabhängig Arthur Bock seine Aufträge umgesetzt hat. Dazu dass Arthur Bock nach dem Zweiten Weltkrieg in der Versenkung verschwand, könnte unter anderem der Umstand geführt haben, dass der Künstler nach 1933, so wie viele seiner Kollegen, Mitglied in der nationalsozialistischen Reichskammer der bildenden Künstler, Fachgruppe Bildhauer, wurde. Dass er sich in dieser Zeit nicht vom Nationalsozialismus distanzierte, zeigen unter anderem drei Medaillen, die er 1930 und 1931 für die Stahlhelm-Wehrsportgruppe entworfen hat, und die Büste Wilhelm Gustloffs, mit der er auf der von Adolf Hitler eröffneten „Großen Deutschen Kunstausstellung 1937“ in München vertreten war.

Im Werkkatalog hat der Autor insgesamt 288 Einzelbeiträge versammelt, in denen sich der Facettenreichtum des Werkes von Arthur Bock widerspiegelt. Seine Arbeiten und Aufträge reichen von großen Friedhofs- und Grabmalskulpturen für den Ohlsdorfer Friedhof und für andere Begräbnisplätze in Deutschland und im Ausland, über Kriegerehrenmale, Gartenskulpturen und Brunnen, Bau-Schmuck, große und kleine Skulpturen für dem Kunsthandel, Silberwaren, Porträts und Porträtreliefs bis zu drei Aquarellen aus der Spätzeit. Vieles davon war bisher entweder nicht bekannt oder nicht zugeordnet. Das große Verdienst des Autors besteht darin, dass er alle diese Werke aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen, klassifiziert und eingeordnet hat, wobei manches nur noch aufgrund von Atelieraufnahmen und aus Publikationen des Künstlers bekannt ist, während anderes am Ort der Aufstellung erhalten ist. Im Katalog ist jedes Werk im Bild vertreten und mit ausführlichen Beschreibungen und, soweit bekannt, mit Informationen zu Auftraggebern, Herstellern und weiteren historischen Angaben versehen.

Nicht nur ist die Akribie und die Forschungsintensität hervorzuheben, mit der der Autor das vielfältige Werk dieses Hamburger Bildhauers erstmals wieder in weitestgehender Vollständigkeit der Öffentlichkeit zugänglich macht, auch die Gestaltung dieses Buches überzeugt mit vielen qualitätsvollen Neuaufnahmen der Werke und einer Vielzahl an historischen Dokumenten und Fotos, die in den Text an passender Stelle eingebunden sind. Insgesamt bildet diese Publikation besonders im Bereich der Erforschung der Grabmalkultur des letzten Jahrhunderts eine echte Bereicherung.

Heiko K. L. Schulze, Arthur Bock – Ein Hamburger Bildhauer. Hrsg. vom Denkmalschutzamt Hamburg, 336 Seiten, 96 S/W- und 314 Farbabbildungen, Festeinband, Fadenheftung, Lesebändchen, 49,90 EUR