Dienstag, 31. Oktober 2023

Hungergeister und Obon - Totengeister in Japan

Hungergeister (2. Teil der Hungergeister-Rolle im Kyoto National Museum, Quelle)
Seit den 1990er Jahren verbreiten sich die Bräuche zu Halloween, die in Nordamerika zuhause sind, auch bei uns. Hier im Blog nehme ich das Datum gern zum Anlass für einen Blick auf die Geisterwelt. Vor einiger Zeit bin ich auf das traditionelle buddhistische Fest zur Errettung der Seelen der verstorbenen Ahnen in Japan aufmerksam geworden, das "Obon" (auch "O-bon" oder nur "Bon") heißt und - wie auf Wikipedia zu lesen ist - "neben der spirituellen Zusammenführung der Familienmitglieder zwischen Jenseits und Diesseits, auch als Anlass für Familientreffen" dient.

Das Fest dauert traditionell drei Tage und findet im Juli bzw. August statt. Es ist mit einem Tanz-Festival verbunden. Die Tänze werden von der Vision eines Jüngers von Buddha abgeleitet. 

Dieser sah seine verstorbene Mutter im „Königreich der hungrigen Geister“ und fragte entsetzt seinen Meister, wie er seine Mutter daraus befreien könne. 

Hungergeister (gaki) sind spindeldürre Wesen mit dicken Bäuchen, die der Karma-Theorie zufolge in früheren Leben zu gierig waren. Zur Strafe sind sie beständig hungrig und durstig, doch durch ihren dünnen Hals können sie nicht viel essen. Sie ernähren sich von allem, was Ekel erregt, und werden von anderen Geistern gequält. 

Die Antwort Buddhas war, dass er ein großes Fest für die letzten sieben Generationen der Verstorbenen ausrichten solle. So konnte er seine Mutter befreien und tanzte vor Freude.

Freitag, 13. Oktober 2023

Der Hamburger Portugiesenfriedhof

Michael Studemund-Halévy, der durch seine Forschungen und Publikationen zur Geschichte der Sefarden in Westeuropa und der Karibik bekannt ist, hat in der Reihe "Jüdische Miniaturen" ein neues Buch über den Jüdischen Friedhof an der Königsstraße in Hamburg-Altona herausgebracht. Auf Grund seiner Größe, seines Alters und der großen Zahl erhaltener Grabsteine gilt diese Begräbnisstätte als einer der weltweit bedeutendsten jüdischen Friedhöfe. Tatsächlich gab es schon im Jahr 2015 eine Bewerbung auf die Liste des UNESCO-Welterbes. Doch wurde die Nominierung drei Jahre später wieder zurückgezogen. Es hieß, dass alternativ eine transnationale Bewerbung mehrerer Städte mit sephardischen Friedhöfen angestrebt werde. Doch ist davon in der Öffentlichkeit nichts mehr zu lesen. 

Umso wichtiger ist es also, dass die Geschichte dieses Friedhofs in Buchform der Öffentlichkeit präsentiert und auf die Bedeutung der dort erhaltenen Grabmale hingewiesen wird. Wobei anzumerken ist, dass es mit dem Erhaltungszustand von vielen der kostbaren Steine nicht zum Besten steht. 

Montag, 9. Oktober 2023

transmortale XIII - Call for Papers

Kindergrabfeld auf dem Friedhof Nieuwe Ooster in Amsterdam (Foto Leisner)
Am Samstag, den 23. März 2024, findet die transmortale XIII statt, gemeinsam veranstaltet vom Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Hamburg (Prof. Norbert Fischer) und dem Museum/Zentralinstitut für Sepulkralkultur (Dr. Dirk Pörschmann, Dr. Dagmar Kuhle) in Zusammenarbeit mit dem Organisationsteam Berlin (Moritz Buchner, Jan Möllers, Stephan Hadraschek).

Die Auseinandersetzung mit dem Tod begleitet die Menschheit seit Anbeginn ihrer Tage. Er ist ein Problem der Lebenden, und so weisen alle wissenschaftlichen Forschungsbereiche, die sich mit dem (Zusammen-)Leben der Menschen befassen, auch Berührungspunkte zu Sterben und Tod, zu Abschied und Gedenken, zur Endlichkeit und zu den Versuchen auf, das Unvermeidliche zu bewältigen. Die Themen Sterben, Tod und Trauer sind in den letzten Jahren in den Fokus der fächerübergreifenden Forschung gerückt. Disziplinen wie Archäologie, Ethnologie, Anthropologie oder Kunstgeschichte beschäftigen sich seit jeher mit Gräbern und Begräbnisplätzen. Inzwischen interessieren sich jedoch ganz unterschiedliche Disziplinen für den Wandel der Trauer- und Bestattungskultur, zum Beispiel die Soziologie, Psychologie, Geschichte, Medizin(-Ethik), Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Geschlechterforschung sowie Kultur- und Medienwissenschaften. 

Der Workshop transmortale bietet eine Plattform für das Forschungsfeld Sterben, Tod und Trauer. Er richtet sich an junge Wissenschaftler:innen, die sich in der Abschlussphase einer Qualifikationsschrift befinden, aber auch an Postdocs und andere interessierte Forschende. Ihnen wird die Möglichkeit gegeben, neue Perspektiven zu entwerfen und sie in größerer Runde zu diskutieren. Ziel ist eine interdisziplinäre Auseinandersetzung, die empirische und theoretische Ansätze zusammenführt und einen intensiven Austausch eröffnet. Auf diese Weise können aktuelle Fragen und Ergebnisse interdisziplinär beleuchtet und inhaltliche Gemeinsamkeiten transdisziplinär zusammengeführt werden. 

Die transmortale findet jährlich statt und wird 2024 zum dreizehnten Mal veranstaltet. Veranstaltungsort ist das Museum für Sepulkralkultur in Kassel, Weinbergstraße 25-27, 34117 Kassel. Tagungssprache ist Deutsch, es sind aber auch englischsprachige Beiträge willkommen. Für Referierende werden die Kosten für maximal eine Übernachtung und die Verpflegung während der Tagung übernommen 

Wenn Sie Interesse haben, Ihr Forschungsprojekt in einem Vortrag/einer Präsentation vorzustellen (max. 20 Minuten), senden Sie Ihren Themenvorschlag bitte bis zum 30. November 2023 (mit Abstract von max. einer Seite nebst Curriculum Vitae) an die folgende E-Mail-Adresse: niedermeyer@sepulkralmuseum.de

Freitag, 6. Oktober 2023

Leipziger Spaziergänge - Südfriedhof

Cover des Buches zum Südfriedhof

Über die Grabstätten auf Leipziger Friedhöfen hat seinerzeit Alfred E. Otto Paul eine Reihe von Broschüren veröffentlicht (die auch in diesem Blog besprochen wurden), in denen er die beigesetzten Persönlichkeiten und die künstlerisch gestalteten Grabmale gewürdigt hat. 

Jetzt ist in der handlichen Reihe "Leipziger Spaziergänge" ein 136 Seiten starker Führer von der Autorin und Historikerin Doris Mundus erschienen, die zuletzt stellvertretende Direktorin des Stadtgeschichtlichen Museums in Leipzig war. Darin werden sieben Wege zu den besonders interessanten Grabstätten vor Ort beschrieben. Vorangestellt ist die Geschichte des 1888 eingeweihten Friedhofs und seiner ungewöhnlich großen Trauerhallenanlage. Es folgen die - nach ihrer Lage zusammengefassten - Kurzbeschreibungen von insgesamt 214 Grabstellen, die entweder an herausragende Persönlichkeiten erinnern oder sich durch eine künstlerisch besonders wertvolle Gestaltung auszeichnen. Jeder Text ist mit einem kleinen Bild der entsprechenden Grabstätte verbunden und den Spaziergängen ist jeweils ein nummerierter Plan vorangestellt, so dass man sich anhand der Beschreibungen leicht vor Ort orientieren kann. 

Eine ganze Reihe von Grabmalen werden außerdem ganzseitig abgebildet, so z.B. das große Grabmalrelief der Familien Lodde-Dodel, die zu den bedeutendsten Pelz- und Rauchwarenhändlern der Stadt gehörten. Ein Personenregister und ein Übersichtsplan über alle Spaziergänge schließen das informative Buch ab, das nicht nur als praktischer Friedhofsführer dienen, sondern zugleich eine solide Grundlage für weitergehende stadtgeschichtliche Forschungen bilden kann. 

Doris Mundus, Leipziger Spaziergänge - Südfriedhof, Lehmstedt Verlag, Leipzig 2022, 136 S., 250 Farbfotos, 1 Karte, 10,00 Euro

Mittwoch, 4. Oktober 2023

Der Jüdische Friedhof in Regensburg

Cover des neuen Buches über den jüdischen Friedhof in Regensburg
 "Die Steine zum Sprechen bringen - 200 Jahre Jüdischer Friedhof Regensburg" heißt die Jubiläumsschrift, die im letzten Jahr von der Journalistin und Autorin Waltraud Bierwirth unter Mitarbeit weiterer Autor*innen herausgegeben worden ist. Die wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinde in Regensburg und die Gestaltungsprinzipien der Anlage und der Grabmale beleuchtet die Judaistin Nathanja Hüttenmeisterin einem längeren Beitrag. Auf ihn folgen fünfunddreißig Kurzbiografien, in denen das Leben von Regensburger Juden und Jüdinnen unter dem Motto  "Was die Grabsteine erzählen" vorgestellt wird. Das umfasst allerdings nur einen Bruchteil der 860 Grabsteine, die noch auf dem unter Denkmalschutz stehenden Friedhof vorhanden und dem fortschreitenden Verfall unterworfen sind. 

Grundlage für diese umfangreiche und in die Tiefe gehende Arbeit ist zum einen das in der Pogromnacht 1938 geraubte jüdische Gemeindearchiv, das auch Unterlagen zu dem Friedhof enthält. Dieses kam nach dem Zweiten Weltkrieg über Umwege in das Jüdische Zentralarchiv in Jerusalem. Seit 2021 gibt es eine online zugängliche Kopie im Regensburger Stadtarchiv, das so für weitere Forschungen zur jüdischen Geschichte der Stadt zur Verfügung steht. Zum anderen konnte auf Vorarbeiten des 2012 verstorbenen Judaisten Andreas Angerstorfer zurückgegriffen werden.

Die seit dem Mittelalter in Regensburg ansässigen Juden wurden 1519 von ihren christlichen Mitbürgern vertrieben. Dabei wurde auch ihre Synagoge zerstört und der damalige Friedhof dem Erdboden gleich gemacht. Seine Grabsteine wurden zum Teil als Baumaterial weiterverwendet. Erst über 300 Jahre später, im Jahr 1822 konnte eine neue jüdische Gemeinde gebildet wieder einen jüdischer Friedhof eröffnen. 

Klaus Himmelstein hat die Geschichte des neuen Friedhofs recherchiert und zeigt auf, wie die Friedhofsfläche im Laufe der Zeit vergrößert und das erste kleine Leichenhaus sich zum klassischen Taharahaus wandelte. Er berichtet aber auch über die antisemitischen Übergriffe, die schon im 19. Jahrhundert stattfanden.