Cover des neuen Buches über den jüdischen Friedhof in Regensburg |
Grundlage für diese umfangreiche und in die Tiefe gehende Arbeit ist zum einen das in der Pogromnacht 1938 geraubte jüdische Gemeindearchiv, das auch Unterlagen zu dem Friedhof enthält. Dieses kam nach dem Zweiten Weltkrieg über Umwege in das Jüdische Zentralarchiv in Jerusalem. Seit 2021 gibt es eine online zugängliche Kopie im Regensburger Stadtarchiv, das so für weitere Forschungen zur jüdischen Geschichte der Stadt zur Verfügung steht. Zum anderen konnte auf Vorarbeiten des 2012 verstorbenen Judaisten Andreas Angerstorfer zurückgegriffen werden.
Die seit dem Mittelalter in Regensburg ansässigen Juden wurden 1519 von ihren christlichen Mitbürgern vertrieben. Dabei wurde auch ihre Synagoge zerstört und der damalige Friedhof dem Erdboden gleich gemacht. Seine Grabsteine wurden zum Teil als Baumaterial weiterverwendet. Erst über 300 Jahre später, im Jahr 1822 konnte eine neue jüdische Gemeinde gebildet wieder einen jüdischer Friedhof eröffnen.
Klaus Himmelstein hat die Geschichte des neuen Friedhofs recherchiert und zeigt auf, wie die Friedhofsfläche im Laufe der Zeit vergrößert und das erste kleine Leichenhaus sich zum klassischen Taharahaus wandelte. Er berichtet aber auch über die antisemitischen Übergriffe, die schon im 19. Jahrhundert stattfanden.
Einen echten Erinnerungsschatz an das vergangene jüdische Leben in der Stadt enthalten dann die Geschichten, die mit den berühmten und unbekannten Jüdinnen und Juden verbunden sind, die im 19. und 20. Jahrhundert in Regensburg lebten, für die Stadt wirkten und in ihr begraben wurden. An erster Stelle sind Friederike und Philippp Reichenberger genannt. Der letztere starb im Jahr 1818 und musste noch auf dem weit entfernten jüdischen Friedhof in Pappenheim beerdigt werden. Dem einflussreichen Gemeindevorsteher und Bankier gelang es unter anderem die Praxis des Leibzolls für die Juden, die damals noch das Leben erschwerte, zu beenden. Seine Frau überlebte ihn um 46 Jahre. Ihr verwitterter Grabstein ist, so wie die meisten Grabsteine der im Buch vorgestellten Personen, mit einem ganzseitigen Farbfoto abgebildet. Die 1804 erbaute Villa des Ehepaares ist heute in Regensburg unter dem Namen des späteren Besitzers Ernst Friedrich von Dörnberg bekannt.
Schmerzlich wird beim Lesen der Biografien, die im 20. Jahrhundert spielen, immer wieder bewusst, wie viele Menschen nur wegen ihrer Abstammung und ihres Glaubens unter den Nationalsozialisten gelitten haben und in den Tod getrieben wurden. Insofern werfen diese Lebensbilder immer wieder ein Licht auf die jüngere deutsche Vergangenheit und machen die Gefahr bewusst, die aus Hass und Intoleranz erwächst.
Waltraud Bierwirth (Hg.), Die Steine zum Sprechen bringen - 200 Jahre Jüdischer Friedhof in Regensburg. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2023, 280 S. zahlreiche Farbabb. 24,95 €