Montag, 22. August 2022

Zu guter Letzt - eine Ausstellung zum (Weiter) Leben

Auf manche Friedhofsereignisse werde ich leider erst spät aufmerksam. Aber es ist noch nicht ganz zu spät, auf das diesjährige Jubiläum des Städtischen Friedhofs in Görlitz hinzuweisen, der vor 175 Jahren eröffnet wurde. Der Veranstaltungsplan des Jubiläumsjahres ist hier zu finden. 

Ein Höhepunkt hat gerade am letzten Wochenende stattgefunden: Die Ausstellung "Zu guter Letzt" wurde in der Alten Feierhalle des Friedhofs eröffnet. Kuratiert von Matthias Wenzel wird die Sammlung Jordan gezeigt, die mit Hilfe von Sponsoren angekauft werden konnte. In ihr spiegelt sich das Trauergedenken im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wider. Ausgestellt sind unter Titeln wie "Zimmerdenkmale", "Dich riefen Gottes Engel", "Mir war der Heldentod beschieden" und "Lebensläufe an der Wand" Bilder, die mit Tod und Erinnerung zu tun haben, darunter befindet sich z.B. die Darstellung der Lebensalter von der Geburt bis zum Tod, aber auch gerahmte Kästen mit Bildern, die aus den Haaren Verstorbener oder aus Eufeuranken gefertigt sind, sowie Haarschmuck und andere Objekte. Die Ausstellung wird zukünftig öffentlich zugänglich sein, Termine werden auf der Website des Friedhofes veröffentlicht.



Auf eine besonderen Veranstaltung, die noch bevorsteht, kann hier immerhin noch verwiesen werden: Am Wochenende 3./4. September wird der Friedhof - in Erinnerung an den Kriegsbeginn am 1. September 1939 und mit dem aktuellen Bezug zu dem Krieg in der Ukraine - den Frieden in den Mittelpunkt stellen. Dann ist das Literaturtheater Dresden mit seiner szenischen Lesung „... und werde Dich immer lieben! Dein Stjopa“ auf dem Friedhof zu Gast, in der anhand von Briefen von der Front, an den deutschen Überfall der Sowjetunion und den darauf folgenden schrecklichen Krieg erinnert wird. In ihnen spiegeln sich Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste der Schreibenden, die oft nicht aus dem Krieg heimkehrten, ebenso wie ihr Wunsch nach dem Ende des Krieges und einem Leben in Frieden.

Weitere Veranstaltungen sind am 16. Oktober, 14:00 Uhr eine Friedhofsführung zum Thema "Baum & Borke - Herbst auf dem Friedhof", am 12. November "Unvergessen!" Friedhofsführung zum Volkstrauertag, in der es auf dem Städtischen Friedhof um die zahlreichen Grabanlagen aus verschiedenen Kriegen, insbesondere um die des 1. Weltkrieges geht und die Geschichte der Griechen in Görlitz geht, die lange vergessen war. Zwischen 1916 und 1919 lebten in dieser Stadt über 7.000 Soldaten und Offiziere des IV. Griechischen Armeekorps, von denen viele an der Spanischen Grippe starben. Am 20. November, dem Toten- bzw. Ewigkeitssonntag findet eine Führung durch das Krematorium unter dem Titel „Tod & Technik“ statt, sowie eine Festliche Bläsermusik vor dem Krematorium und eine Gedenkfeier zum Totensonntag in der Großen Feierhalle des Krematoriums. An 27. November, folgt eine Gedenkfeier für verstorbene Kinder, nach der die Urne mit den Sternenkindern des vergangenen Jahres beigesetzt wird.

Ein umfangreiches und interessantes Jubiläumsprogramm, finde ich!

Die Fotos von der Ausstellung hat mir die Künstlerin Susan Donath freundlicherweise zur Verfügung gestelllt. 



… und werde Dich immer lieben! Dein Stjopa

Eine Reminiszenz an das größte Verbrechen Deutschlands im 20. Jahrhundert


Am 22. Juni 1941 fiel die deutsche Wehrmacht trotz Nichtangriffs- und Freundschaftspakts zwischen Hitler und Stalin in der Sowjetunion ein: dem „Unternehmen Barbarossa“ folgte ein vier Jahre währender, rassistisch motivierter Weltanschauungs- und Vernichtungskrieg, der allein auf sowjetischer Seite etwa 24 Millionen Tote forderte. 

Beredte Zeugen sind die noch vorhandenen sowjetischen Briefe von der Front, die bis heute vielfältig publiziert werden. In unserem Verständnis sind sie nicht weniger als ein Kulturgut, auch deshalb, weil ihre Schreiber, die oft nicht heimkehrten aus dem Krieg, auf diese Weise eine verstörende Lebendigkeit behalten haben: ihre Sehnsüchte, ihre Zuversicht, ihr Verzagen wie ihre Hoffnung – immer spiegelt sich das elementare Verlangen nach Leben, nach Frieden, nach einem baldigen Ende des Irrsinns dieses Krieges, der bald vaterländisch genannt wird.

Wir erinnern mit unserer szenischen Lesung „… und werde Dich immer lieben. Dein Stjopa“ an diese Barbarei:

Ljudmila Fjodorowna Mjasnikowa (1925–2017) erhielt 56 Frontbriefe von Stepan Dmitrijewitsch Lesjukow (1912–1943). Diese Post blieb ihr Lebensgeheimnis, warum, können wir nur vermuten. Ihre Kinder, Enkel und Urenkel fanden die Briefe beim Beräumen des Nachlasses. Sie können heute im Staatlichen Historischen Museum des Südurals in Tscheljabinsk eingesehen werden. 

Natürlich waren die Briefe Lesjukows nicht für die Öffentlichkeit geschrieben. Zur Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte ist der Text „…und werde Dich immer lieben! Dein Stjopa“ über die Macht der Liebe, eine unmenschliche Zeit wie die des Großen Vaterländischen Krieges überleben zu können, eine freie künstlerische Schöpfung unter Verwendung von Motiven aus folgender Literatur:

Simonova, A., Demeshko, O. & Suchowilowa, O. (2016–2020): „Feldpost – Briefe von der Front 1941–1945“. — Darin: 56  Briefe von der Front (in Russisch); „Leben und Schicksal“ und „Dies Volk ist unsterblich“ von Wassili Grossman; „Ein Schriftsteller im Krieg · Wassili Grossman und die Rote Armee 1941–1945“ von Antony Beevor


Markward Herbert Fischer · Textfassung, Wort

Annette Richter · Spiel

Eine Kooperation mit dem Dresdner Chor „Slavica“ unter Leitung von Yewgeni Pankow. 


Wir danken:

Moritz Töpfer (Dresden) für seine Interpretation des Liedes „Жди меня“ (Wart’ auf mich) von Simonow / Blanter (1941) und dem Chor Intrada für seine Interpretation des Chorals „Любовь святая“ (Heilige Liebe) · Swiridow).

Die Produktion konnte mit Unterstützung des Amtes für Kultur- und Denkmalschutz der Landeshauptstadt Dresden und des Vereins DenkMalFort! e. V. realisiert werden.