Samstag, 18. Oktober 2025

Abschaffung des Todes - Säkularistische Ewigkeiten vom 18. bis ins 21. Jahrhundert

Cover, Kosuch: Abschaffung des Todes
Mit diesem Buch, dessen Titel nur auf den ersten Blick etwas irreführend wirkt, legt die Autorin eine außerordentlich umfangreiche Studie zu der Frage vor, wie sich die Vorstellungen vom Überdauern der Toten seit der Aufklärung bis in die Gegenwart geändert und von der religiösen Vorherrschaft gelöst haben; bzw. im wissenschaftlichen Duktus der Autorin: Wie die handelnden Akteure – sie waren hauptsächlich männlich – „den Menschen nach der Überschreitung der Grenze des Todes dachten bzw. sinnhaft im Sein verankerten und welche historischen Hintergründe, welches Wissen, welche Techniken, Technologien und Praktiken mit ihrer Sinnstiftung verbunden waren.“ 

Die Hauptthese, die mit einer ungewöhnlich breiten Quellenkenntnis unterlegt wird, ist, „dass der nicht vergehende Mensch ein entscheidendes Signum des Säkularistischen darstellt“ und dass dabei technische und wissenschaftlich-medizinische Neuerungen sein Überdauern versprachen und auch heute noch versprechen. Säkularistisch bedeutet in der Definition der Autorin „die Ablehnung religiöser Weltbilder, Institutionen und Praktiken und ihren Ersatz durch solche, deren Basis Weltlichkeit, Wissenschaft, Rationalität und zivile Moralvorstellungen bilden.“ (S. 11, Anm. 10) 

Damit wendet sich die Arbeit solchen Konzepten und den damit verbundenen Praktiken zu, die einerseits nicht das christliche Glaubenssystem eingebunden sind, und andererseits trotzdem ein Fortbestehens der Toten, wenn auch in anderer Form, ermöglichen wollen. Die Untersuchung ist dabei zeitlich weit gefasst, geographisch übergreifend und wissenschaftlich interdisziplinär angelegt. Zwar werden hauptsächlich westeuropäische Beispiele interpretiert, doch es gibt auch Ausblicke auf die Verhältnisse in Amerika und Russland. Grundlage und Ausgangspunkt der Untersuchung sind hauptsächlich schriftliche Quellen zur Geschichte der neuzeitlichen Kremation. 

Donnerstag, 16. Oktober 2025

Call for papers - Transmortale XV

Eingang zum Gräberfeld für die Toten des Konzentrationslagers in Moorkaten (Foto Leisner) 
In diesem Blog wird seit Jahren über den Tagungsworkshop "transmortale" berichtet. Im kommenden Jahr findet er zum fünfzehnten Mal statt und zwar am 6./7. März 2026 im Museum für Sepulkralkultur (Kassel). Er beginnt am Freitagabend, 6. März mit einem Kolloquium im Rahmen einer Buchpräsentation. Der Samstag, 7. März, steht – thematisch offen – Nachwuchs-Wissenschaftler:innen zur Vorstellung ihres an Sepulkralkultur ausgerichteten Forschungsprojektes oder ihrer Qualifikationsarbeit zur Verfügung. Es können auch Vorschläge für Posterpräsentationen eingereicht werden. 

Die Themen rund um den Tod beschäftigen im Bereich von Friedhof und Grab schon immer Disziplinen wie Archäologie, Ethnologie, Kulturanthropologie oder Kunstgeschichte. Inzwischen interessieren sich jedoch ganz unterschiedliche Disziplinen für den Wandel der Trauer- und Bestattungskultur, zum Beispiel die Soziologie, Psychologie, Geschichte, Medizin(-Ethik), Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Geschlechterforschung sowie Kultur- und Medienwissenschaften. Der Workshop transmortale richtet sich an junge Wissenschaftler:innen, die sich in der Abschlussphase einer Qualifikationsschrift befinden, aber auch an Postdocs und andere interessierte Forschende. Ihnen wird die Möglichkeit gegeben, neue Perspektiven zu entwerfen und sie in größerer Runde zu diskutieren. Ziel ist eine interdisziplinäre Auseinandersetzung, die empirische und theoretische Ansätze zusammenführt und einen intensiven Austausch eröffnet. 

Tagungssprache ist Deutsch, es sind aber auch englischsprachige Beiträge möglich. Für Referierende werden die Kosten für maximal eine Übernachtung und die Verpflegung während der Tagung übernommen.

Wer Interesse hat, sein Forschungsprojekt in einem Vortrag/einer Präsentation (max. 20 Minuten) oder in Form eines Posters vorzustellen, sendet bitte seinen Themenvorschlag bis zum 31. Oktober 2025 (mit Abstract von max. einer Seite inkl. Curriculum Vitae) an die folgende E-Mail-Adresse: niedermeyer@sepulkralmuseum.de
 

Weitere Informationen sind hier zu finden.

Sonntag, 5. Oktober 2025

HALT - Das Jahrbuch für Sepulkralkultur 2024 und 2025

Seit dem letzten Jahr hat die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal die Herausgabe der seit 1956 erschienenen Zeitschrift „Friedhof und Denkmal“ eingestellt, in deren Redaktion auch ich eine ganze Zeit mitgearbeitet habe. Statt ihrer ist im selben Jahr zum ersten Mal das Jahrbuch mit dem sprechenden Titel „HALT“ erschienen, das in diesem Jahr zum zweiten Mal herausgegeben worden ist. 

Beide Jahrbücher versammeln Interviews und Gastbeiträge von und mit renommierten Gesprächspartnern und Wissenschaftlerinnen, Berichte aus der Forschung des Zentralinstituts für Sepulkralkultur, Neuigkeiten und Einblicke in die Sammlung, Artikel zu Themen aus der Friedhofs- und Bestattungskultur sowie künstlerisch-ästhetische Zwischenspiele. Dazu gibt es eine Fülle von illustrativen Bildern und Fotografien. Gestaltet wurden beide Jahrbücher von Pascal Kress (The Floor Show, Berlin), die künstlerischen Illustrationen stammen von der in Kassel lebenden Malerin Aliaa Abbou Khaddour.

In der zugehörigen Presseinformation zu diesem Jahrbuch heißt es, dass man darin transdisziplinär auf die Endlichkeit blickt und so den Dialog über dieses – für viele Menschen schwierige – Thema weiter führt. „Halt! So wie es bisher war, wird es nie wieder sein“, diese Einsicht und Erfahrung wird den Lesern schon mit der kräftigen Schrift und den sprechenden Titelbildern des Covers direkt vor Augen gehalten. 

Freitag, 3. Oktober 2025

Digitale Salongespräche zur Friedhofskultur

In diesem Herbst und Winter veranstaltet das  Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur wieder die sehr beliebten Digitalen Salons mit interessanten Themen zur Friedhofskultur. Der nächste Salon findet schon

am 8.10. um 17 Uhr statt:

Kunst als Chance für Friedhof und Kirche

Mit  Alexander Ochs, Kurator Purple Path, Kulturhauptstadt Chemnitz; Ralf Günther, Friedhofsverwalter Lößnitz; Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der EKD; Reto Bühler, Leiter Friedhof Forum Zürich – Museum über Leben und Tod

Über 15.000 Besucher werden in diesem Jahr die Friedhofskirche in der kleinen Stadt Lößnitz besucht haben. Angezogen hat sie eine Installation der weltweit renommierten Künstlerin Rebecca Horn im Rahmen von Purple Path, dem Kunst – und Kulturweg der Kulturhauptstadt Europas 2025 Chemnitz. 

Im Rahmen eines digitalen Salons des Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur spricht der Friedhofsexperte Tobias Pehle mit Purple Path Kurator Alexander Ochs über die Anziehungskraft der Horn-Installation und die von Kunst in Kirchen. Ralf Günther, der Friedhofs- und Kirchenverwalter von Lößnitz, berichtet über seine Erfahrung. Zudem bringen Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Reto Bühler, Leiter des Friedhof Forum Zürich– Museum über Leben und Tod, ihre Expertisen zum Thema „Kunst als Chance für den Friedhof“ ein. Die Teilnahme an der einstündigen Veranstaltung über die Plattform Teams ist kostenfrei. Der Beitritt ist über folgenden Link möglich. (Dieser Text und die folgenden Zeilen sind der Pressemitteilung entnommen.)

Weitere Themen und Termine sind:

Freitag, 26. September 2025

Virtuelles Kolloquium der "Cemetery Research Group"

Die englische "Cemetery Research Group" lädt zu ihrem dritten englischsprachigen, virtuellen Kolloquium am 21. November 2025 ein und ruft zur Einreichung von Beiträgen auf. Diese sollten sich thematisch mit Orten und Praktiken im Zusammenhang mit der Bestattung von Verstorbenen, darunter Beerdigungen, Einäscherungen und anderen Technologien auseinandersetzen. Die Beiträge sollten aus den Bereichen Sozial- und Geisteswissenschaften stammen, theoretische Auseinandersetzungen enthalten und empirische Daten umfassen. Dabei bietet das Kolloquium ein besonders unterstützendes Umfeld für Doktoranden und Postdoktoranden. Für jeden Beitrag stehen 30 Minuten zur Verfügung: Die Referenten sollten etwa 20 Minuten sprechen, damit Zeit für Fragen bleibt.

Man freut sich über Einreichungen aus aller Welt und will die Panels so organisieren, dass sie verschiedenen Zeitzonen gerecht werden. Alle Vorträge müssen in englischer Sprache gehalten werden. Noch bis zum 1. Oktober kann man seine Zusammenfassung über dieses Google-Formular einreichen. Tickets sind ab dem 11. Oktober über die CRG-Website erhältlich.

Als Hauptrednerin wird Ruth E. Toulson (Maryland Institute College of Art) über das Thema sprechen:„Der letzte Friedhof: Wandelnde Todeslandschaften im heutigen Singapur”

Die Abstracts des virtuellen Kolloquiums im letzten Jahr sind unter dieser Website zu finden. 

Fragen zur Veranstaltung beantwortet: julierugg36@gmail.com

Sonntag, 3. August 2025

Jubiläum: 25 Jahre Förderverein Südwestkirchhof Stahnsdorf e.V.

Die Stabkirche auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf (Foto Leisner) 

Der Förderverein Südwestkirchhof Stahnsdorf e.V. hat 12.Juni ein großes Jubiläumsfest anläßlich seines 25jährigen Bestehens gefeiert. Wir vom Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e.V. gratulieren natürlich sehr herzlich und freuen uns, dass dazu im Stadtblatt ein ausführlicher Artikel erschienen ist, der die Arbeit des Vereins würdigt. 

Darin heißt es u.a., dass der Verein mit europaweit fast 400 Mitgliedern zu den ­größten Vereinen der Region gehört und seit seiner Gründung nicht nur viel für die Erhaltung und Pflege des Friedhofs geleistet, sondern auch dazu beigetragen hat, aus dem historisch bedeutenden Ort ein kulturelles Highlight mit einer Ausstrahlung weit über Berlin und Brandenburg hinaus zu machen. 

Schon vor der Vereinsgründung hatte der Friedhofverwalter Olaf Ihlefeldt mit seinen Mitarbeitern begonnen, den während der Zeit der DDR verwilderten Friedhof wieder instand zu setzen. Seit 1991 hatte er außerdem in Eigenregie Konzerte, Führungen und Lesungen auf dem Friedhof veranstaltet. Mit der Vereinsgrünundung wurden diese Aktivitäten dann auf eine breitere Basis gestellt, sowohl, was die "manpower" betrifft als auch in Bezug auf die finanziellen Grundlagen. 

Zu Beginn gab es noch viele Probleme durch Vandalismus und Diebstahl (auch in diesem Blog wurde über den Kupferdiebstahl im Jahr 2011 berichtet, der zum Glück rasch aufgeklärt wurde). Das hat zum Glück nachgelassen und, seitdem das Gelände eingezäunt wurde, haben gibt es auch kaum noch Verwüstungen durch Wildschweine und andere Wildtiere. So können sich die Vereinsmitglieder ihren Hauptaufgaben widmen: Förderung des Denkmalschutzes, Herstellung und Verteilung von Broschüren, Sicherung der Brunnen, Bau von Unterständen, Veranstaltung von Führungen und Vorträgen sowie Konzerten, Betreuung des Infohäuschens im Eingangsbereich an Wochenenden, ­fachspezifischer Austausch mit internationalen Partnervereinen und vieles mehr. 

Zum Jubiläum wurde das bereits umfangreiche Veranstaltungsprogramm, das immer wieder viele Menschen auf dem Friedhof zusammenbringt, erweitert. Zum Beispiel findet am 31. August zum ersten Mal ein Klangspaziergang und Brunnenkonzert auf dem Friedhof statt. Und das bekannte Führungsangebot wird durch Fahrradführungen, abendliche und naturkundliche Rundgänge ergänzt. Den Höhepunkt bildete aber sicher das gut besuchte Jubiläumsfest im letzten Monat. Die kommenden Veranstaltungen finden sich natürlich noch auf der Website des Friedhofes.

Stadt und Tod

Weil ich leider im Augenblick kaum Zeit habe, kommt hier die Zusammenfassung der Herausgeber von einem sehr interessanten Themenheft, das man kostenlos herunterladen kann.

Gezeigt wir darin, dass die Beziehung zwischen Stadt und Tod durch das Zusammentreffen religiöser, hygienischer, technisch-industrieller und ästhetischer Diskurse geprägt ist. Die Beiträge konzentrieren sich auf den Tod unter Stadtbewohnern. Dazu gehören beispielsweise Stadtmagistrate oder religiöse Würdenträger, die in ländlichen Gebieten nicht in gleichem Maße vertreten waren. Die Toten werden als Teil der städtischen Umwelt verstanden. Dieses Umfeld bildet auch die Bühne für öffentliche Beisetzungen von Nationalhelden oder hochrangigen Politikern; die Art und Weise, wie diese durchgeführt werden und wie die Erinnerung an die Toten lebendig gehalten wird, entwickelt sich mit der städtischen Landschaft und drückt bestimmte Einstellungen und Werte aus. Der Tod und die Toten gehören untrennbar zur Stadt und müssen als zentraler Aspekt von Urbanität betrachtet werden. Reichtum, Status, Geschlecht, Alter und viele andere Aspekte, die für Stadtbewohner von entscheidender Bedeutung waren, spiegelten sich in der Art und Weise ihrer Bestattung wider. Die Beiträge dieser Sonderausgabe verstehen die städtischen Toten als Linse für die Stadtgeschichte im Allgemeinen. 

Beiträge: 
Martin Christ/Dieter Schott: Die Stadt und der Tod (Einleitung)

Norbert Fischer: Stadt, Friedhof und Natur: Zur Entwicklung landschaftlicher Friedhöfe im urbanen Raum vom 18. bis zum frühen 21. Jahrhundert 

Rüdiger Hachtmann: Zweierlei Tod in Berlin 1848 und 1849. Märzgefallene und Choleraopfer

Verena Kümmel: Die Stadt als Bühne öffentlicher Totenfeiern. Paris, London und Berlin

Benedikt Brunner: Sterben in der ‚Stadt ohne Gott‘. Säkularisierungsdeutungen, Urbanität und die Frage nach der Zukunft des christlichen Sterbens 

Carolin Kosuch: Die Ewige Stadt und der Tod im 19. Jahrhundert. Bestattungsorte Nichtreligiöser in Rom

Martin Christ: Die Etablierung des „Jewish Burial Ground“ in Wolverhampton, England
(1851) 

Bethany M Wade: A Cemetery Fit for a Cultured and Christian City: Religious Freedom, Cultural Diversity, and the Urban Landscape in the Late-19th-Century Spanish Caribbean

Dieter Schott: Leitrezension: Neue Perspektiven auf städtische ‚Todesräume‘ in der sozialwissenschaftlichen Forschung.  

Die Stadt und der Tod – Themenheft „Moderne Stadtgeschichte“, Jahrgang 2025, 1. Halbjahresband, Hrsg.: Martin Christ und Dieter Schott, Berlin 2025, 236 Seiten, mit zahlreichen, teils farbigen Abbildungen; ISSN: 2941-6159 online, kostenloser Download