Ich versuche einmal kurz zusammenzufassen, worum es in den Vorträgen so ungefähr ging und hangele mich dabei an dem Programm entlang, dass der Ankündigung fast vollständig entsprach.
Neuer Begräbnisplatz Dessau, Friedhofsportal, Zustand 2007, zur Zeit ist der Putz abgeschlagen und die Figuren sind entfernt. Wann und ob die Restaurierung fertig gestellt wird, ist nicht bekannt (aus Wikipedia CC BY-SA 3.0 Hochgeladen von M H.DE Erstellt: 2. April 2007 |
Dr. Inge Gotzmann vom BHU moderierte den ersten Vortragsblock, der mit "Engagement und Umgang mit historischen Friedhöfen" überschrieben war.
In seiner Keynote über den Friedhof in der Landschaft definierte Prof. Hansjörg Küster die Grundlagen der Friedhöfe als stets vom Ort und von der Religion bestimmt, während er den Begriff "Landschaft" mit den drei Aspekten "Natur", "Kultur" und "Idee" verband. Natur steht für das, was wächst und vergeht, und Kultur für das, was der Mensch in der Natur und als Teil der Natur erschafft, während Idee als die zugrundelegende Vorstellung gedacht ist.
Schussenried Wallfahrtskirche Steinhausen Innen
Deckenfresko 3.JPG Hochgeladen von Zairon
Erstellt: 11. Oktober 2009
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In Bezug auf die Bepflanzung von Friedhöfen ging Küster besonders auf die Esche und die Linde ein. Anhand der Abbildung auf einer Grabplatte aus dem 12./13. Jahrhundert (Dorfkirche von Liiva auf Muhu in Estland), auf der ein Mann mit einem Messer neben einer saymbolisch dargestellten Esche zu sehen ist, verwies er auf die Bedeutung der Esche als Zeichen der Unvergänglichkeit. Die Esche gehört wie die Linde zu den Bäumen, die, wenn sie beschnitten werden, immer wieder frisch ausgrünen. Natürlich denkt man dabei auch an die Weltenesche Yggdrasil. Zugleich aber kann man aus Eschenäste leicht lebende Hecken und Zäune bauen, indem ihre Äste einfach in den Boden steckt, da sie sich bewurzeln und ausschlagen. Eschen auf Friedhöfen können also sowohl für eine frühgeschichtliche Traditionslinie zum Symbol der Unvergänglichkeit wie für Schutz und Abgrenzung stehen. So zog dieser Vortrag vielfältige historische Linien zwischen dem Raum der Toten, den religiösen Ideen, die mit ihrer Bestattung zusammenhängen, und der Landschaft, in dem sich dieser gestaltete Raum befindet.
Stuttgart, Hoppenlauffriedhof, Grußeiserne Grabkreuze (Foto Leisner 2009) |
Dr. John Ziesemer aus München berichtete leider ohne seine Kollegin Claudia Denk über ihre gemeinsamen Forschungen zum Alten Südfriedhof. Ihre Arbeit konnte - zum ersten Mal bei einem bedeutenden historischen Friedhof - über die Grabmalaufnahme hinaus weitergeführt werden, so dass sie mit Hilfe eines Forschungsprojektes zu ausgewählten Grabmalen unterschiedliche Quellen und Archivalien untersuchen und Wissenschaftler anderer Fachdisziplinen hinzuziehen konnten. Dadurch gewannen sie ein umfassendes Bild der Geschichte dieses besonderen Friedhofes und konnten die Grabmäler teilweise ganz neu in der Sozial- und Wirtschaftgeschichte aber auch in der Kunstgeschichte der Stadt verorten. Auch den Einfluss des Königs konnten sie detailliert nachweisen. Wer tiefer in dieses Thema eindringen will, sei auf das sehr interessante und empfehlenswerte Buch der beiden Autoren "Kunst und Memoria" verwiesen, das hier schon besprochen worden ist. Und an dieser Stelle soll nicht vergessen werden, dass beide schon 2005 nach Abschluss der Inventarisation mit der Tagung "Der bürgerliche Tod" Neuland betreten haben. Unterstreichen möchte ich dabei Ziesemers Fazit, das heißt: "Man kann nur schützen, was man kennt".
Grabbau für Prof. F.C. Gundlach, Ohlsdorfer Friedhof. mit der Abbildung seines preisgekrönten Fotos zweier Frauenköpfe vor den Pyramiden von Gizeh (Foto Peter Schulze 2012) |
Katarinaberg, Blick aus der neuen Totenkapelle auf die Ötztaler Alpen
© 2015 Franz Maybaum (Ich danke den Autoren für die Erlaubnis
dieses Bild zu veröffentlichen)
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Nach der Mittagspause, moderierte ich den zweiten Block, in dem die Vermittlung und damit die Frage, wie man andere für die Erhaltung historischer Friedhöfe interessiert und vielleicht sogar begeistert, im Zentrum stand.
Niels Biewer, Nutzung historischer
Friedhöfe. Denkmale im
öffentlichen Leben
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„Heidefriedhof Rondell“ von X-Weinzar - Eigenes Werk.
Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
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Besonders der folgende Vortrag von Dipl. Ing. Matthias Neutzner regte dann - auch in Verbindung mit dem Bericht von Susan Donath am folgenden Tag, beide aus Dresden - lebhafte Diskussionen an, die auch in kleinerem Kreis fortgesetzt wurden. Über den Heidefriedhof in Dresden und seine besondere Bedeutung als Ort der Erinnerung an die Bombenangriffe von 1945 gibt der Film, auf den ich im vorigen Post verlinkt habe, ausführlich Auskunft. Neutzner berichtete, dass sich das Erinnerungsritual in den letzten Jahren immer mehr zur Auseinandersetzung mit Neonazis entwickelt und eine immer größere Medienöffentlichkeit gefunden hatte. So wurde an diesem Tag der Friedhof fast hermetisch abgeriegelt und vor seinen Toren sammelten sich Gegendemonstranten. Das städtisch gesteuerte Erinnerungsritual fand im Jahr 2014 zum letzten Mal statt. Zum 70. Jahrestag der Luftangriffe in diesem Jahr wurde es nicht mehr durchgeführt. Die Leerstelle, die so entstanden ist, ermöglicht nun sich über die Ausgestaltung der Anlage neu zu verständigen. Dabei führt der Weg von den bisherigen Erinnerungsritualen weg und hin zu einem Lernort, in dem die Geschichte der Stadt, des Nationalsozialismus, der DDR und ihrer Zusammenführung mit der Bundesrepublik neu thematisiert und am konkreten Ort der Trauer und der Erinnerung festzumachen ist. Wie das geschehen kann, blieb offen. Sicher wird man neue Medien miteinbeziehen müssen.
Grabmal Rübke, vormals Gerstenkorn, das erste Patenschaftsgrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg (Foto Marianne Didier 2005) |
Damit war meine Moderation zu Ende und Rainer Sörries übernahm den folgenden dritten Block mit der Überschrift "Planung und Entwicklung".
Dr. Ing. Martin Venne, Plaungsbüro PlanRAT, aus Kassel referierte auf der Grundlage des bis 2016 laufenden DBU-Forschungsprojekt mit dem Titel „Sicherung aktiver Friedhöfe für die öffentliche Umwelt- und Gesundheitsvorsorge“ über Bewertungs- und Handlungsstrategien für denkmalgeschütze Friedhöfe. Teilergebnisse des Forschungsprojektes sind im Übrigen schon in den Kasseler Studien Band 16 nachzulesen. Eines der größten Probleme der Friedhofsdenkmalpflege ist die Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmen. Venne klärte die Grundlagen, auf denen überhaupt Geld fließen kann. So muss ein flächendeckender Denkmalschutz ausgesprochen sein. Außerdem müssen die Nutzungsmöglichkeiten geschützter Flächen und Denkmale in die Berechnungen einbezogen und die Unterhaltungsleistungen festgestellt werden. Meistens gilt es allerdings vorrangig überhaupt die Kommunikation zwischen Friedhof und Denkmalschutzamt zu verbessern. Über diese Themen wurde im Anschluss lebhaft diskutiert und dabei wurde deutlich, dass es länderspezifisch große Unterschiede gibt. Es gibt offenbar Bundesländer, in denen die Denkmalpflege wie in Berlin relativ großzügige Zuschüsse geben kann, da sie auch über externe Mittel wie z.B. aus den Lottomitteln verfügen kann, während anderswo kaum Geld von der Denkmalpflege zu erwarten ist. Grundlage für solche Mittel müssen natürlich begründete Bewertungs- und Handlungsstrategien zur Pflege, Instandhaltung und Nutzung denkmalgeschützter Friedhöfe mit aktiven Bestattungsflächen sein. Diskutiert wurde auch, dass Friedhöfe zumindestens dafür sorgen können, dass die Übernahme von Grabmalpatenschaften steuerlich absetzbar wird. Dazu muss das Grabmal für die Zeit der Patenschaft zwingend in das Eigentum des Paten übergehen, was vertraglich leicht zu regeln ist.
Während Martin Venne das Thema aus einem allgemeingültigen Blickwinkel vertiefte, stellte der freie Landschaftsarchitekt Ing. (FH) Steffen Möbius aus Erfurt, seines Vaters und ein langjähriges Engagement für den 1884 eingeweihten Friedhof in Arnstadt vor. Im Jahr 2013 wurde er dafür mit dem Landschaftarchitekturpreis Thüringen ausgezeichnet. An diesem Friedhof erläuterte er zugleich seine Vorstellungen, wie Friedhöfe zu Orten werden können, welche die Trauerarbeit unterstützen anstatt sie zu erschweren. Bildlich verdeutlichte er unter den Schlagworten "Disharmonie", "Unruhe in der Gestaltung", "fehlende Vegetation" und zu große "Räume" Erscheinungen, die er als Grund für Desinteresse und die Abwanderung von den Friedhöfen als Bestattungsorten ansieht. Dagegen setzte er die Idee von Friedhöfen als Orten der Hoffnung, deren Erscheinungsbild von Ruhe, Harmonie, Grün und einer Ausstattung geprägt ist, die zum Verweilen einlädt. Mehrfach betonte er dabei seine Auffassung, dass Friedhöfe die - mehr oder weniger einzige - Aufgabe haben für die zugehörige Gemeinde einen angemessenen und würdigen Bestattungsplatz vorzuhalten. Seine barrierrefreie Grabfeldgestaltung in Arnstadt kann man hier sehen. Wobei über die Umstellung historischer Grabmale innerhalb des Friedhofs die Meinungen hinterher durchaus geteilt waren.
Der zweite Tag begann mit dem Block "Jüdische Friedhöfe", den ebenfalls Rainer Sörries moderierte.
Archivoberrat i. R. Dr. Harmut Heinemann hat über 25 Jahre ein Projekt der „Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen“ betreut, durch das rund 75 historische Friedhöfe mit 17.000 Grabinschriften erfasst wurden. Die Ergebnisse sind über das „Landesgeschichtliche Informationssystem Hessen (LAGIS)“ abrufbar. Thematisch widmete sich Heinemann besonders den Sammelfriedhöfen. Anhand einer Karte zeigte er ihre Lage und veranschaulichte einzelne Familiennamen mit den Grabmalsymbolen. Am Beispiel von Alsbach - dort liegt der größte jüdische Landfriedhof in Hessen - wies er auf die Bedeutung der Lage der Grabstätten hin. Die Forschungen konnten nachweisen, dass im Kindbett verstorbene Frauen in einen eigenen Bereich bestattet wurden, ebenso wie Unverheiratete, die wahrscheinlich in einem nahegelegenen "Irrenhaus" verstorben waren. Wie auf christlichen Friedhöfen liegen auch die Kindergräber an einer besonderen Stelle. In der Diskussion wurde die Frage nach Grabstätten sowjetischer Zwangsarbeiter auf jüdischen Friedhöfen gestellt. Tatsächlich hat es solche Bestattungen gegeben, die als Friedhofsschändung während des Nationalsozialismus zu sehen sind.
Anke Geißler M.A. aus Potsdam von der Vereinigung für jüdische Studien e.V. berichtete von der Lage der Juden in Brandenburg, die unter dem Schutz der Hohenzollern standen. Auch in Brandenburg gab es wie in Hessen Sammelfriedhöfe, zu denen Juden aus den umliegenden Ortschaften ihre Toten brachten. Erhalten sind 76 Friedhöfe von unterschiedlicher Größe und zu einem großen Teil ohne Grabsteine. Dabei gehört der jüdische Friedhof in Potsdam mit zum Weltkulturerbe und ist damit bisher der einzige jüdische Friedhof in Deutschland, der diesen Status besitzt. Problematisch ist, dass er von den neu hinzugezogenen russischen Juden genutzt wird, die mit ihren Grabmalen ungewohnte kulturelle Akzente setzen. Seine Grabmalinschriften sind zwar erfasst und digitalisiert, aber nicht im Internet einzusehen, obwohl in der entsprechenden Datenbank andere Friedhöfe offen zugänglich sind (http://www.uni-potsdam.de/juedische-friedhoefe/). Diskutiert wurde über den Weltkulturerbeantrag: Der Jüdische Friedhof an der Königstraße in Altona stellt gerade einen Antrag darauf, während der jüdische Friedhof Weißensee seinen Antrag zurückgezogen hat und jetzt zusammen mit den entsprechenden Friedhöfen in Warschau und Lodz einen neuen Anlauf nehmen will.
Prof. Dr. Norbert Fischer übernahm die Moderation der letzten beiden Tagungsblöcke, in denen es zuerst um Kriegsfriedhöfe und dann um Grüfte ging.
Juliane Hummel von der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten referierte über "Sowjetische Kriegsgefangenenfriedhöfe des Zweiten Weltkrieges in der Lüneburger Heide" und zeigte in ihren Bildern, unter welchen fürchterlichen Bedingungen sowjetische Kriegsgefangene in der Lüneburger Heide leben mussten, starben und in Gruben beerdigt wurden. Dabei wurden die Toten registriert. Diese Akten gelangten nach dem Krieg nach Russland. Die Grabstätten in Bergen-Belsen, Wiezendorf und Oerbke wurden schon bald nach dem Krieg von der sowjetischer Seite künstlerisch ausgestaltet; eine Ausgestaltung, von der heute fast nichts mehr übrig ist. Mithilfe des Volksbundes wurden die Gräber in den 60er Jahren umgestaltet. Erst seitdem die Akten seit Kurzen öffentlich zugänglich sind, kommen Angehörige aus Russland um die Gräber ihrer Verstorbenen zu besuchen und zu trauern. Ihre Betreuung liegt noch ganz in privater Hand einiger Weniger. Gleichzeitig hat die Aufhebung der Anonymität der Toten zu neuen Impulsen in der Bildungsarbeit geführt. So gestalten Schüler Namenstafeln aus Ton, die an den Gräbern aufgereiht werden. Thematisiert wurde in der Diskussion, dass diese Tafeln nicht sehr haltbar und optisch nicht vorteilhaft angebracht sind, zugleich aber auch das Problem besteht, dass die Friedhöfe "janz weit draußen" liegen und damit fast unerreichbar sind und dass zwar für ihre Pflege Geld vorhanden ist, eine Neugestaltung, die vor Ort jedes einzelne Grab wieder erfahrbar macht, aber in weiter Ferne liegt.
Susan Donath, freischaffende Bildhauerin und Kuratorin aus Dresden stellte den Sowjetischen Garnisonsfriedhof in Dresden vor, der in diesem Blog auch schon Thema war. 2014 hat sich dort der Verein "Denk Mal Fort! e.V." gegründet, der sich dafür einsetzt, dass der Nordflügel der historischen Friedhofsanlage in seiner bisherigen Form erhalten bleibt. Nach der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Anlage und ihrer Ausgestaltung, wurde das Problem diskutiert, dass der umstrittene Nordflügel anscheinend keine Kriegsgräber enthält und damit nicht unter dem Schutz des entsprechenden Gesetzes steht. Allerdings ist auch nicht erforscht, wer tatsächlich dort genau begraben ist. Die Fronten zwischen jenen, die die Anlage in ihrer bisherigen baulichen Form erhalten wollen, und dem Landesbetrieb, der die Pflege vereinfachen will, wirken leider sehr festgefahren.
Mausoleum Hoefele auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg vor der Restaurierung (Foto Leisner 1990er Jahre) |
Der Michaelergruft in Wien widmete sich zum Schluss der Vortrag von Mag. Oskar Terš aus Wien, der sich für die Erforschung und Erhaltung dieser Gruft engagiert. Er zeigte, wie im Laufe der Zeit immer mehr Grufträume unter dem Kirchenboden ausgebaut und miteinander verbunden wurden. Erkennbar wurde auch, dass die verschiedenen Grufträume sozialhistorisch unterschiedlich belegt wurden. Auch das Thema der Mumien und ihrer Ausstellung wurde angesprochen, wobei in der Michaelergruft ein offener Sarg mit einer Mumie zu sehen ist. Allerdings stand der Sarg so, dass Besucher ihn anfassen konnten. Das wurde inzwischen geändert. Dank eines neuen Klimakonzeptes und Konservierungsmaßnahmen ist die Gruft inzwischen so gesichert, dass die 300 Jahre alten Särge und Mumien nicht mehr akut gefährdet sind.
Zum Abschluss dankte Dr. Gotzmann allen, die teilgenommen hatten, für ihr großes Interesse und den lebhaften Austausch während der Tagung und kündigte an, dass die Vorträge bis zum Ende dieses Jahres als Publikation des BHU gedruckt vorliegen und allen Teilnehmern zugeschickt werden.