Dienstag, 18. August 2015

Friedhof und Grabmal - Geschichte, Gestaltung und Bedeutungswandel

Friedhof und Grabmal, Inhaltsangabe

Der fünfte Band der Schriftenreie des Bayrischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. widmet sich dem Thema Friedhof und Grabmal mit einem großformatigen Buch, in dem Beiträge von insgesamt 30 Autoren unterschiedlicher Fachrichtungen versammelt sind. Gegliedert sind die unterschiedlichen Texte - nach Vorwort und Einleitung mit dem Titel "Tod und Gesellschaft" - in die Themen "Historisches", "Forschen, Dokumentieren, Retten" "Gegenwart und Zunkunft", wobei die Themenbereiche auch optisch durch ganzfarbige Zwischenseiten mit den Titel deutlich voneinander abgetrennt sind. Insgesamt ist der Band sehr reich und farbig bebildert, so dass das Lesen der relativ knappen Beiträge immer wieder durch das Betrachten der dazu passenden Bilder unterbrochen werden kann.

Besonderes Vergnügen hat mir persönlich dabei gleich die Einleitung des Pastoralreferenten Benno Littger gemacht, die den "Wandel" und die "Ungleichzeitigkeiten" in der heutigen Trauerkultur thematisiert, ist sie doch von einer Reihe sehr schlagkräftiger Karikaturen begleitet.

Friedhof und Grabmal, S. 11, Text in der Sprechblase:
"Auf Facebook soll er viele Freunde gehabt haben."
Eindrucksvoll ist auch die darauf folgende historische Fotoreise durch Bayern, in der Bilder Bayrischer Friedhöfe aus den Jahren zwischen 1895 und 1956 zusammengestellt sind. Nicht alle Friedhöfe waren einheitlich mit Schmiedeeisen- oder Holzkreuzen in gleichem Format besetzt, wie es manche Friedhofsreformer glauben machen wollten! Gleich danach wird von Andrea Kluxen auf zwölf Seiten die Grabmalentwicklung vom Mittelalter bis in die Gegenwart dargestellt, was notwendigerweise zu starken Verkürzungen führt. Neu für mich war dabei der Hinweis auf den Friedhof der Kirchengemeinde Segringen, auf dem seit dem 19. Jahrhundert einheitliche, schwarze Holzkreuze mit vergoldeten Schnitzereien aufgestellt werden. Dieselbe Autorin gibt in dem darauf folgenden Beitrag auch einen Überblick über Friedhofsbauten, die von den Mauern über Torhäuser, Beinhäuser, Gruftarkaden auch Friedhofskanzeln und moderne Urnenaufbauten oder -hallen einschließen. Weitere Beiträge dieses Themenkreises beschäftigen sich mit den fremden Friedhofskulturen in Bayern, worunter zunächst die Friedhöfe der Juden, sovie der Evanglischen Christen, Glaubensflüchtlinge und Freidenker zu verstehen sind, bevor die relativ neue muslimische und die buddhistische Bestattung - nicht nur in Bayern - thematisiert werden. Die jüdische Bestattungs- und Friedhofskultur speziell in Bayern wird dann in zwei weiteren Beiträgen noch einmal aufgenommen.


Besonders interessant im Zusammenhang mit dem Thema dieses Blogs sind dann die Vorstellungen von drei hochberühmten historischen Friedhöfe in Bayern. Claudia Maué erläutert besonders die Gestaltung der liegenden Grabsteine auf dem St. Johannis- und dem St. Rochus-Friedhof in Nürnberg und zeigt, welch einen kulturgeschichlichen Schatz die gegossenen Schmuckelemente auf den Steinen darstellen, während Dorit-Maria Krenn nicht nur auf den historischen Friedhof St. Peter zu Straubing mit seiner ungewöhnlichen Totenkapelle und seinem Reichtum an historischen Grabmalen hinweist, sondern auch auf die Instandsetzungsmaßnahmen eingeht. Besonders berührend ist dabei die Geschichte von dem eisernen Kinderbettchen, das die Eltern nach dem Tod ihres letzten Kindes, als Grabeinfassung auf dem Friedhof verankert hatten und das nun wiederhergestellt wurde. Auch weist Krenn auf den Christkindlmarktes auf dem Friedhof hin, mit dem dieser traditionelle Ort von Märkten und Zusammenkünften neu belebt und im Bewußtsein der Öffentlichkeit verankert wird. Über den Städtischen Friedhof in Rosenheim, der ebenfalls in diesem Zusammenhang vorgestellt wird, kann man in diesem Blog an anderer Stelle mehr erfahren.

In den folgenden drei Beiträgen setzen sich die Autoren mit dem Thema Friedhöfe als Memorialorte von Krieg, Diktatur und Vertreibung auseinander. Gerade Kriegsgräberstätten und KZ-Friedhöfe sind Orte, wo der Schrecken von Krieg und Diktatur materiell fassbar wird. Sie werden daher immer mehr zu Lernorten für kommende Generationen. Aber auch die deutschen Friedhöfe in den ehemaligen Ostgebiete können Orte der Erinnerung und der Völkerverständigung werden, wenn sie dem Vergessen entrissen werden.

Am Anfang des Themas "Forschen, Dokumentieren, Retten" steht der Beitrag über den Alten Südlichen Friedhof in München, über dessen intensive Erforschung durch dies beiden wissenschaflter Claudia Denk und John Ziesemer in diesem Blog schon mehrfach berichtet wurde (2013, 2014, 2015). Im darauf folgenden Bericht über ein Projekt des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde e.V. wird dazu aufgerufen Friedhöfe zu dokumentieren. Leider arbeitet man in diesem Verein noch nicht daran, die Ergebnisse dieser Bemühungen auch im Internet zu veröffentlichen Veranschaulicht wird außerdem die moderne Umgestaltung eines historischen Kirchenfriedhofs (Söchtenau, Ldkr. Rosenheim). Das ungewöhnliche Museum für geschmiedete Grabkreuze in Ebersberg wird vorgestellt und der Steinrestaurator Dietrich Schimpfle berichtet anhand einer Reihe von Grabmalbeispielen über die speziellen Probleme der Steinfestigung und Restaurierung.

Die gegenwärige Friedhofsgestaltung wird mit dem Beispiel des modernen Bergfriedhofes Lindenberg im Allgäu eingeleitet. Darauf nimmt Norbert Fischer Gegenwart und Zukunft in den Blick und lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf den Umbruch in der Friedhofskultur, die zu einer breiten Diversifizierung des Angebots - sozusagen von modellierten "Miniaturlandschaften" zu "Naturbestattungen" - geführt hat. Zusammengefasst konstatiert er, dass sich "in der Friedhofskultur des frühen 21. Jahrhunderts folgende Entwicklungen" zeigen: "allgemeine Grenzauflösungen und neue räumliche Strukturen"; "Verlust der abgegrenzten Einzel- und Familiengrabstätte als Ordnungsmuster"; "Miniaturlandschaften als neue Orte der Bestattungs-, Trauer- und Erinnerungskultur"; "möglichst naturbelassene und zugleich symbolisch aufgeladene Einzelanlagen" sowie "neue, gruppenbezogene Formen der 'corporate identity'". Die Entwicklungslinien der heutigen Friedhofsplanung zeigt Gerhard Richter auf und weist dabei darauf hin, dass zum einen neue Gestaltungskonzepte in der Friedhofskultur eine Aufgabe der Zukunft sind, dass es aber ebenso nötig ist bestehende Friedhöfe für die Zukunft zu sichern. Den ersten Schritt zu einer solchen Sicherung sieht er in individuellen Entwicklungskonzepten für die jeweiligen Anlagen. Die Leiterin der städtischen Friedhöfe in München, Kriemhild Pöllath-Schwarz, verweist anschließend auf die Bedeutung der Friedhofssatzung, als Vorgabe für ein "geordnetes Miteinander", wie es im Titel ihres Beitrages heißt. Besonders differenziert setzt sie sich mit der Bedeutung der Grabmal-"richtlinien" auseinander und definiert dabei die verschiedenen Interessenkonflikte, die durch eine an den Wandel der Friedhofskultur angepasste Satzung ausgeglichen werden können. Den Abschluss bilden kürzere Beiträge zu den Themen "Gemeinschaftsgräber", "Gehölze und Stauden auf Friedhöfen", "Der Friedhof im Lauf der Jahreszeiten", "Die Mosaikgärten im Münchener Westfriedhof", "Grabsätten für Muslime in München", die Selbsthilfegruppe Verwaiste Eltern in Bamberg und ihre Gedenkstätte "Herzensangelegenheiten" auf dem Bamberger Hauptfriedhof, sowie über den Wandel der Trauerkultur und Gedenkkultur jeweils aus der Sicht eines Bestatters, sowie eines Steinmetzen.

Insgesamt ist dieser 263 Seiten starke Band ein kompaktes Kompendium zur Bayrischen Friedhofskultur, das ich teilweise mit großem Zugewinn gelesen habe.

Heimatpflege in Bayern 5: Friedhof und Grabmal - Geschichte, Gestaltung, Bedeutungswandel. Hrsg. Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V. München 2015, 264 S., zahlr. Abb. 19,50 EUR – zum Online-Shop