Der Untertitel "Londons viktorianische Gartenfriedhöfe gestern und heute" verrät, worum es in diesem Buch geht. Die Autorin stellt darin die "Magnificent Seven" vor; jene sieben Gartenfriedhöfe, die im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts rund um London eingerichtet wurden, um der desolaten Lage der Bestattungen innerhalb der wachsenden Großstadt Herr zu werden.
Den horrenden Zuständen auf den innerstädtischen Londoner Friedhöfen am Anfang des 19. Jahrhundert widmet die Autorin nach einer allgemeinen Einführung in das Thema Friedhof ein erstes Kapitel. Sie schildert, wie auf den mitten zwischen den Wohnhäusern gelegenen Friedhöfen der Stadt kaum noch Platz für die Toten übrig war und zudem noch der Diebstahl von Leichen die Menschen, die um ihre Angehörigen trauerten, beunruhigte. Eindrücklich unterlegt sind diese Ausführungen - nicht nur in diesem Kapitel, sondern im ganzen Buch - mit einer Vielzahl von historischen Illustrationen und Fotos, deren ausführliche Beschriftungen einen eigenen zum jeweiligen Kapitel passenden Subtext liefern.
Die Allgegenwart von Tod und Trauer im viktorianischen 19. Jahrhundert wird dann am Beispiel der trauernden Königin und von Trauer- und Bestattungsbräuchen der Zeit vor Augen geführt, bevor auf die Ideen eingegangen wird, die zu den neuen Garten- oder Parkfriedhöfen führten, die mit zeitgenössischen Worten als "Orte voller Schicklichkeit und Schönheit" von der Autorin apostrophiert werden. Die sieben neuen Friedhöfe werden chronologisch mit ihrer Gestaltung und Geschichte im 19. Jahrhundert vorgestellt in den Kapiteln: "Die erste Totenstadt der Metropole - Kensal Green All Souls Cemetery"; "Der Friedhof der Reichen - West Norwood Cemetery"; "Das viktorianische Walhalla - Highgate Cemetery"; "Arboretum und Campo Santo - Abney Park Cemetery"; "Der zweitgrößte Friedhof und doch am wenigsten bekannt - Nunhead Cemetery"; "Im Besitz der Krone - Brompton Cemetery" und "Ein Friedhof für Seeleute und die Arbeiterklasse - Tower Hamlets Cemetery".
Die beiden abschließenden Kapitel gehen zum einen auf den Verfall der Friedhöfe im 20. Jahrhundert ein, die sowohl weil der Platz für neue Beerdigungen nicht mehr vorhanden war und daher das Geld aus dem Grabverkauf für die weitere Unterhaltung fehlte, als auch aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen durch die beiden Weltkriege in Vergessenheit gerieten. Wobei als ein weiterer Grund für die Abwendung der Bevölkerung von dem viktorianischen Begräbnispomp von der Autorin nicht berücksichtigt wird, nämlich die Verunglimpfung der eklektizistischen Friedhofskunst als Kitsch durch die tonangebenden Gesellschaftsschichten, die nach dem Ersten Weltkrieg einsetzte. Zum anderen werden die neuen Aktivitäten benannt, mit denen gemeinnützige Vereine und ihre ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder, die "Friends of", schon seit den 1980er Jahren dafür sorgen, dass die Friedhöfe neu bewertet und mit ihren Grabmälern und Bauten so gut wie möglich erhalten werden. Dabei ist zugleich auch oder gerade in England das Bewusstsein dafür gewachsen, dass diese Orte, die einst außerhalb der Bebauung lagen und inzwischen von der Stadt eingeholt worden sind, heute ganz besondere Enklaven für Flora und Fauna bilden.
Grabmal für Tom Sayers, Highgate Cemetery London |
Ein Literaturverzeichnis und eine Liste der Homepages der Friedhöfe vervollständigt das Buch, dem man anmerkt, dass die Autorin sich nicht nur in die historischen Fakten eingearbeitet hat, sondern auch über umfangreiche Kenntnisse der jeweiligen Friedhöfe verfügt und sozusagen mit "Herzblut" ihr Wissen an die geneigten Leserinnen und Leser weitergibt.
Georgia Rauer, Wenn Ewigkeit vergänglich wird : Londons viktorianische Gartenfriedhöfe gestern und heute, Edition Frölich, Berlin 2021, 160 S., zahlreiche farbige Abb., ISBN 978-3-9820807-3-4Bildnachweis: Tom Sayers By JohnArmagh - Own work, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2790755