Dieses von der Initiative „Raum für Trauer“ herausgegebene Buch verspricht im Titel, dass der Friedhof der Zukunft ein kommunales Erfolgsprojekt werden kann. Dafür wird zugleich "Theorie und Praxis für Entscheider" geliefert. Der ideelle Träger der Initiative ist die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. in Kassel. Die Initialzündung dazu aber ist aus der Kunstgießerei Strassacker in Süßen gekommen, deren stellvertretender Geschäftsführer Günter Czasny das Projekt des "Campus Vivorum", um das es in diesem Buch geht, am Firmensitz ins Leben gerufen hat. Elf Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen mit dem Friedhof verbundenen Berufsfeldern stellen ihre Sicht auf die zukunftigen Räume der Trauer in insgesamt elf Beiträgen dar. Nach einem gemeinsamen Vorwort der Herausgeber geht es dabei um die Oberthemen "Friedhof und Gesellschaft", "Friedhof und Trauer", "Friedhof und Raum" und "Friedhof und Experimente".
Das Thema Trauer wird dabei von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, wobei die Beiträge oft zu der in den letzten Jahren immer stärker hervorgehobenen Erkenntnis kommen, dass Trauer einen Ort braucht und dass Trauernde an diesem Ort, also am Grab, Trauerhandlungen durchführen möchten. Gemeint ist damit das Ablegen von Blumen und Gegenständen; das Gedenken an die oder den Verstorbenen, z.B. auch in Form von Bildern; die Aufstellung eines Grabsteins; das Schmücken und Pflegen der Grabstelle.
Negativ wird das "Abwandern der Trauer" in den digitalen Raum konnotiert, das ja neben so merkwürdigen Erscheinungen wie der Erstellung eines Avatars mit der Stimme des oder der Verstorbenen, auch so hilfreiche Möglichkeiten bietet wie die Gestaltung einer Trauerseite in den sozialen Medien oder einer Website oder eines Blogs, in dem Erinnerungen an das Leben und die Bedeutung des oder der Verstorbenen veröffentlicht werden und mit der zugleich Trauer und Erinnerung gestaltet und ausgedrückt werden können.
Ein weiteres Themenfeld beschäftigt sich mit dem Friedhofsraum und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Besucher. Dabei wird deutlich gemacht, dass Trauer kein feststehender Zustand ist, sondern vom Zeitpunkt des Verlustes an Veränderungen unterliegt und sich meistens im Laufe der Zeit abschwächt, so dass ein Ort der Trauer verschiedenen Besuchergruppen Rechnung tragen muss. Dafür ist modellhaft die Rede von unterschiedlichen Räumen. Sie können z.B. aus einer Abfolge vom Grab, als dem privatesten Raum, hin zu Räumen der gemeinschaftlichen/rituellen Handlungsmöglichkeiten, bis zu Räumen der Erholung in der Natur für Trauernde und Friedhofsbesucher bestehen. Interessant ist auch die Idee von Schwellenräumen, die jeweils zwischen diesen Bereichen vermitteln.
Der letzte Beitrag widmet sich explizit dem "Feld der Lebenden" in Süßen. Dort sind beispielhafte Gestaltungsideen für den Friedhof von heute und morgen umgesetzt worden. Verbunden sind sie durch die Idee, dass sich mit ihnen "die ökonomische Zukunftsfähigkeit bestehender Friedhöfe steigern lässt" und "alternative Beisetzungsorte auch auf dem Friedhof umsetzbar" sind. Die Anlage in Süßen versteht sich dabei als als Experimentierfeld und Ort der Inspiration und soll sich kontinuierlich entwickeln und verändern. Ausgegangen wurde von der Frage nach den Bedürfnissen von Friedhofsbesuchern und speziell von Hinterbliebenen. Wie die Anlage aussieht und beschrieben wird, kann man hier nachvollziehen.
Insgesamt bietet das 146 Seiten starke Buch einen interessanten Überblick über den Stand der Diskussion zur gegenwärtigen und zukünftigen Gestaltung von Friedhöfen. Dabei stellt die herausgebende Initiative "Raum für Trauer" verständlicherweise das Thema Trauer explizit in den Mittelpunkt.
Aus meiner Sicht möchte ich dazu anmerken, dass Friedhöfe nicht nur Orte sein müssen, wo Traurigkeit, Weinen, Wut und Verzweiflung - alles Emotionen, die mit der Trauer einhergehen können - ihren Platz haben dürfen und sollen. Friedhöfe sind auch Orte der Erinnerung. Historisch gewachsene Friedhöfe - und es gibt kaum mehr Neuanlagen in Deutschland - tragen auch den kulturellen Erinnerungswert des umgebenden Raumes in sich. Vielleicht kann diese Anmerkung dazu anregen, dass diejenigen, die mit den Friedhöfen befasst sind, auch ihrem sepulkralen Kulturerbe und seiner Bedeutung mehr Aufmerksamkeit widmen.
Der Friedhof als kommunales Erfolgsprojekt der Zukunft, Herausgeber Initiative „Raum für Trauer“, Süßen 2023, ISBN: 978-3-9825535-2-8, 146 Seiten, zahlreiche Zeichnungen
Das Buch ist für 24,80 Euro zzgl. Versand erhältlich. Solange der Vorrat reicht werden Musterexemplare des Buches zunächst kostenlos an Kommunen und Kirchen sowie Friedhofsplaner abgegeben. Bezug: raum-fuer-trauer.de