Freitag, 30. September 2016

Hamburger Bauheft zur Soldatengedenkhalle auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Hamburger Bauheft zur Soldatengedenkhalle
In dem kleinen Museum auf dem Ohlsdorfer Friedhof, das von Mitgliedern des Förderkreises betreut wird, wurde vor Kurzem das Heft Nr. 17 der Reihe "hamburger bauheft" vorgestellt, das der Soldatengedenkhalle auf dem Friedhof gewidmet ist. Sie steht in enger Verbindung zu den großen Flächen der Soldatengräber des Ersten und des Zweiten Weltkrieges.

Da es eine Kontroverse über den Umgang mit der Gedenkhalle und Bestrebungen zu einem Gegendenkmal gibt, hilft diese Publikation grundlegend dabei sich mit ihren Entstehungsbedingungen auseinander zu setzen.



Das Bauheft zeichnet sich besonders durch die tiefgehende Recherche seines Autors Jörg Schilling aus, die durch zahlreiche Abbildungen, unter ihnen auch von originalen Plänen, unterstützt wird. Schillings Ausführungen beginnen mit der Denkmal- und Grabmalkultur seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts und gehen dann zu den verschiedenen Initiativen zur Ehrung der Gefallenen über, die sich noch während des Ersten Weltkriegs für Ohlsdorf entwickelten. Dazu gehörten auch Pläne für eine große Ehrenanlage, die allerdings nicht ausgeführt wurden. Immerhin aber legte Robert Tischler, der "Chefarchitekt" des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der u.a. durch seine "Totenburgen" bekannt wurde, noch im Frühjahr 1938 - also ein Jahr vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs - eine neue Planung für einen "Kriegerehrenfriedhof Hamburg-Ohlsdorf" vor.

Nach dem verlorenen Krieg erschien dem Volksbund "eine Verherrlichung des Krieges und seiner 'Helden'" allerdings nicht mehr opportun (S. 19). Trotzdem wurde mit der Umgestaltung der Gräber für die Toten des Zweiten Weltkrieges durch diese Organisation ein neuer, deutlich kleinerer Bau im Bereich der Soldatengräber geplant - wiederum von Robert Tischler entworfen. Dieser neue Plan zeigt in seinen Grundzügen schon die tatsächliche errichtete Gedenkhalle. Doch wurde Tischlers Entwurf von Seiten der Hamburger Baubehörde kritisiert und unter Einbeziehung des Architekten und ehemaligen Altonaer Bausenators Gustav Oelsner abgeändert. Schilling schreibt dazu: "Das hieß, dass die gesamte Leitung der Hamburger Baubehörde das Projekt begutachtet hatte - neben Gustav Oelsner ... sogar der neu amtierende Oberbaudirektor Werner Hebebrand" (S. 29). Die Innenwände der kreisrunden Halle erhielten Reliefs von Franz Mikorey. Lebensgroße Figuren stehen sich gegenüber, auf der eine Seite trauernde Frauen und Kinder mit zwei großen Kreuzen, auf der anderen Soldaten, die trauernd ihren Helm abgenommen haben und vor den Gräbern der Toten zu stehen scheinen. "Die einfache Komposition der Figuren sollte ohne Pathos 'nichts Erhebendes' sondern die 'stille Ohnmacht' gegenüber dem Schicksal zum Ausdruck bringen" (S. 33).

Bei der Einweihung im Jahr 1953 mahnte dann Bürgermeister Max Brauer, dass das Ehrenmal der Versöhnung unter den ehemaligen Gegnern und der Verständigung aller Menschen geweiht sei  (S. 31). So führt der Autor schließlich meiner Meinung nach die Idee eines Gegendenkmals in gewisser Weise ad absurdum. Denn auch wenn er die Symbolkreuzgruppen auf den Gräbern im Bereich der Gedenkhalle scharf kritisiert, so schreibt er doch zum Schluss : "Die Installation eines Gegendenkmals sollte ohne Eingriff in das Erscheinungsbild der Soldatengedenkhalle möglich sein. Denn ihre hier dargestellte Entwicklungsgeschichte verdeutlicht, dass sie sich nicht als Kulisse eines unreflektierten Gedenkenes und Heroentums eignet." (S. 37) Ich setze hinzu: und auch von den Verantwortlichen nach dem Grauen des Zweiten Weltkrieges nicht so gedacht war, selbst wenn man Einflüsse jener "heroischen" Zeit feststellen kann, die soviel Unheil über die Stadt gebracht hat und noch nicht (auch bis heute nicht) verschwunden war.

Wenn Jörg Schilling allerdings die Umbenennung der an den Soldatengräbern gelegenen "Kriegerehrenallee" in Ida-Ehre-Allee als Beginn einer Auseinandersestzung mit den Relikten dieser Zeit versteht, dann möchte ich hier deutlich widersprechen. Diese Bezeichnung stammt aus den Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg und ich persönlich denke, dass man mit einer Umbenennung keine Auseinandersetzung ermöglicht, sondern vielmehr die historischen Gegebenheiten verunklart. Ich hätte eine Kommentierung des Straßennamens, die auf seine Geschichte aufmerksam macht, für zielführender und dem historischen Kontext des Friedhofs für angemessener gehalten, Damit ist nichts gegen die Persönlichkeit von Ida Ehre gesagt, nach der in Hamburg immerhin schon ein Platz benannt ist. Allerdings dürfte nur wenigen Friedhofsbesuchern noch bekannt sein, dass die Hamburger Schauspielerin, Regisseurin und Theaterleiterin unter den Nationalsozialisten als Jüdin mit Berufsverbot belegt und später verhaftet wurde und im nahen KZ Fuhlsbüttel inhaftiert war.

Jörg Schilling, Soldatengedenkhalle Friedhof Ohlsdorf. hamburger bauheft 17, Schaff-Verlag, Hamburg 2016 44 Seiten im DIN A5 Querformat, zahlreiche farbige Abb., 8 Euro