Samstag, 27. April 2019

Friedhofsgeflüster

Buchcover Garamond Verlag
Endlich komme ich dazu, etwas über das neue Buch "Friedhofsgeflüster. Von Totenkronen, Wiedergängern und der Angst vor dem Scheintod" von Dr. Anja Kretschmer zu schreiben, das im März auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt worden ist. Ich habe diesem Blog ja schon öfter mal auf die Führungen hingewiesen, die die Autorin als "Schwarze Witwe" - inzwischen deutschlandweit - auf Friedhöfen veranstaltet. Jetzt hat sie ihr über die Jahre immer mehr vertieftes Wissen zum sepulkralen Brauchtum und dem zugehörigen (Aber-)Glauben zu einem Buch zusammengefasst.

Und sie hat eine Menge zu erzählen: Da geht es um Todesvorzeichen, ebenso wie um das schwere Sterben; um die Totenfrauen und Leichenbitter und das Herrichten der Verstorbenen; die Totenwache, bei dem Nachbarn und Angehörige sich nicht immer nur pietätvoll verhalten haben; die Beisetzung und den anschließenden Leichenschmaus; die unruhigen Toten in ihren unterschiedlichen Erscheinungen; das Trauerkleid, das besonders für die Witwen ein Muss war; den Kindertod; die Angst lebendig begraben zu werden und zum Schluss einen Ausblick auf die "Aufhocker", Geister, die sich unbemerkt an Grenzen auf die Schulter setzen können. Abgerundet wird das Thema durch den Abdruck jeweils passender Sagen und Märchen.

Durchmischt sind die Geschichten mit eigenen Erfahrungen der Autorin, die sich - auf den ersten Blick etwas irritierend, dann aber durchaus logisch - in blauer Farbe von den in schwarz gedruckten historischen Texten unterscheiden. Erfrischend und persönlich berichtet Anja Kretschmer darin davon, wie sie selbst ein Relikt der Glaubensvorstellungen, nämlich einen Schwamm, mit dem einstmals ein Toter gewaschen wurde, in einer Gruft entdeckt hat; wie wichtig es für sie war trotz ihrer Angst persönlich von einer verstorbenen Verwandten Abschied zu nehmen; von ihren Erfahrungen als Trauer-Rednerin und ihrer Arbeit in einem Bestattungsinstitut. Besonders berührend ist zu lesen, was die Autorin in diesem Zusammenhang über den Abschied von einem toten Kind schreibt. Offenbar liegen ihr auch die Totenkronen, die man verstorbenen Kindern aufgesetzt oder auf den Sarg gestellt hat, besonders am Herzen, denn es gibt am Ende des Buches eine Lister jener Orte, an denen diese Relikte einer vergangenen Kultur noch aufbewahrt werden.

Wissenschaftlich korrekt gibt die Autorin jeweils genau die Quellen an, aus denen sie die unterschiedlichen Formen des sepulkralen Brauchtum zusammengetragen hat. Natürlich stammen viele Angaben aus dem berühmten Handbuch des Aberglaubens, aber Anja Kretschmer hat auch regionale volkskundliche Untersuchungen und andere Quellen herangezogen. Neben dem Anmerkungsverzeichnis rundet ein Literaturnachweis die Arbeit ab. Mit diesem Buch gibt die Autorin - erstmals - einen gut lesbaren und reichhaltigen Überblick über die volkstümlichen Vorstellungen zu Sterben, Tod, Bestattung und Trauer.

Dankenswerter Weise bezieht dabei ein, dass Leser und Leserinnen eines solchen Buches zugleich auch mit ihren eigenen Erfahrungen zu diesem Thema konfrontiert werden und gibt immer wieder einmal Hinweise zu einem hilfreichen Umgang mit dem Abschiednehmen. Deshalb scheint mir dieses Buch - ebenso wie die Führungen der "Schwarzen Witwe" - als ein Einstieg in das schwierige und im persönlichen Bereich immer noch weitgehend tabuisierte Thema, das um das eigene Sterben und den Tod naher Angehöriger kreist, besonders geeignet.

Anja Kretschmer, Friedhofsgeflüster. Von Totenkronen, Wiedergängern und der Angst vor dem Scheintod. Garamond Der Wissenschaftsverlag. Reihe Post mortem, Bd. 1, Gera/Jena 2019, 152 Seiten, zahlr. Abb.

(P.S.: Eine kleine persönliche Anmerkung am Rande zu den Totenkronen: Schon auf dem Grabmal für Heinrich und Elisabeth von Nassau, gest. 1394, in der Elisabethkirche in Marburg sind die beiden verstorbenen Kinder mit Kränzen bekrönt. s. Barbara Leisner, Grabmale für Kinder. In: Grabkultur in Deutschland, S. 323) 

Dienstag, 23. April 2019

150 Jahre Südfriedhof Kiel - Das Jubiläumsprogramm

Kapellenberg auf dem Kieler Südfriedhof
(Quelle:Von Isderion - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14837025) 
Am 30. April 1869 wurde der Südfriedhof in Kiel unter dem Namen Neuer Kirchhof eingeweiht. Er gilt als der erste echte Parkfriedhof in Deutschland, auch wenn es natürlich Vorläufer und mit dem Ohlsdorfer Friedhof einen sehr viel bekannteren Nachfahren gibt. Dieses Jahr feiert der Kirchenkreis Altholstein das Jubiläum mit einem mehrtägigen Programm:

Am 30. April wird die Kieler Pröpstin Almut Witt das Jubiläumsjahr mit einem Gottesdienst für Mitarbeiter und geladene Gäste in der Kapelle an der Saarbrückenstraße eröffnen.

Am 26. Mai gibt es dann einen "Mitmach-Tag für Kinder und Erwachsene", an dem zwischen 11 und 16 Uhr bienenfreundliche Beete angelegt werden können. Man kann sich auch über die neuesten Trends der Grabbepflanzung informieren und bei kurzen Führungen stellt Jörgen Schulz, der stellvertretende Leiter der Friedhöfe des Ev.-Luth. Kirchenkreises Altholstein, Besonderheiten der der Flora und Fauna des Friedhofs vor, wie zum Beispiel die denkmalgeschützten Trauerbuchen, die in mehr als 100 Jahren zu einem Baum zusammengewachsen sind.

Am 14. Juni, um 19 Uhr, wird Uwe Steinhoff, der in mühevoller Kleinarbeit Bilder, Pläne und Stiche zusammengetragen hat, die Geschichte des Südfriedhofs in Bildern erzählen.

Am 21. August, um 19 Uhr, führt ab der Friedhofskapelle Dr. Anja Kretschmer als Dienstmädchen zu den gruseligen Ecken des Friedhofs und erzählt auf verschlungenen Pfaden von mysteriösen Mordfällen und Geistermessen und anderen sagenhaften Geschichten aus Kiel.

Am 4. September, 18.15 Uhr, führt Dr. Bernd Schedlitz über den Friedhof unter dem Titel "Persönlichkeiten erzählen Stadtgeschichte". Denn wer es sich leisten konnte, setzte sich auf dem Südfriedhof ein Denkmal über seinen Tod hinaus. So prägten Kieler Unternehmer nicht nur die Wirtschaft an der Förde, sondern auch den Friedhof.

Am 27. September, 15 Uhr, zeigt der Steinmetzmeister Jörn Goos deutlich, dass selbst Grabsteine der Mode unterworfen sind und erklärt die Symbole, die auf ihnen abgebildet sind.

Am 23. Oktober, 19 Uhr, erinnert ein herbstlicher Abend in der Kapelle mit Lyrik und Musik an das Sterben. Die Schauspielerin Ritta Kristensen rezitiert Texte von Autoren verschiedener Jahrhunderte. Dazu singt der Bass-Solist Julian Redlin an der Orgel begleitet von Kreiskantor Reinfried Barnett stimmungsvolle Kompositionen.

Am 8. November, um 19.30 Uhr, gibt es einen Kinoabend in der Friedhofskapelle. In dem Spielfilm "Nokan - Die Kunst des Ausklangs", erfährt der Cellist Diaigo erfährt, dass er in seinem neuen Job bei einem Veranstalter für besondere Reisen Verstorbene nach einem traditionellen japanischen Ritual für die sogenannte letzte Reise vorbereiten soll. Aber das darf niemand aus seiner Umgebung mitbekommen. Der Kinoabend wird in Kooperation mit dem Kommunalen Kino in der Pumpe veranstaltet.

Der Eintritt zu den meisten Veranstaltungen kostet nichts.

Außerdem wird zum Jubiläum im Mai das neue Buch "Der Kieler Südfriedhof. Bestattungskultur und Gartenkunst seit 1869" von Walter Arnold und der Fotografin Bettina Fischer erscheinen (Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte herausgegeben von Jürgen Jensenm, Band 90 Husum Verlag 2019), das sich ausführlich der Geschichte des Friedhofs widmet. Eine Besprechung folgt demnächst in diesem Blog.



Freitag, 19. April 2019

Friedhöfe unter Denkmalschutz: Erhaltung - Anforderungen - Perspektiven

In Köln finden zwei Mal im Jahr Gespräche zu Architektur und Denkmalpflege statt. Sie sollen sich einem denkmalpflegerischen Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln nähern und sind als Fortbildungsveranstaltungen gedacht. Am 13. Mai widmet sich diese Tagung den Denkmalschutz auf Friedhöfen. Das Programm findet sich hier.

In zwei Themenblöcken werden zum einen Grundlagen und zum anderen Beispiele aus der Praxis besprochen. Bei den Grundlagen geht es um die Veränderungen in der Bestattungskultur, rechtliche Möglichkeiten der Unterschutzstellung und ihre Folgen, das Friedhofsentwicklungskonzept Düsseldorf und "Friedhöfe am Wendepunkt: Funktionen, Trägerschaft, Finanzierung, Denkmalschutz". Bei den Beispielen aus der Praxis werden das Parkpflegewerk für den Melatenfriehof in Köln, die Umntuzung des Friedhofs von Velbert-Langenberg, die Instandsetzungen jüdischer Grabsteine und die Arbeit des Fördervereins Evangelischer Friedhof Kölnstraße e.V. in Düren vorgestellt. 

Ein wirklich interessantes Programm, das sicher auch für Mitglieder anderer Fördervereine interessant sein dürfte. Wer meldet sich an und hat Lust hier zu berichten?
 



Freitag, 12. April 2019

Die Europäischen Kulturrouten werden geehrt!

Signet der Fundación Yuste mit dem Logo
des europäischen Preises des ehemaligen spanischen
Königs Carlos V. 
Die Europäische Route der Friedhofskultur, über die hier schon mehrfach berichtet wurde, ist Teil des Programmes der Europäischen Kulturrouten des Europa-Rates und dieses Programm wird jetzt mit dem "Carlos V European Award" der spanischen "Fundación Academia Europea e iberoamericana de Yuste" ausgezeichnet. Die prestigeträchtige Auszeichnung wird zum ersten Mal nicht an eine Person, sondern an ein europäisches Programm verliehen. Sie wurde ins Leben gerufen, um die Arbeit von Personen, Organisationen, Projekten oder Initiativen zu belohnen, die zum allgemeinen Wissen und zur Verbesserung der kulturellen, sozialen, wissenschaftlichen und historischen Werte Europas beigetragen haben. Die Kulturrouten des Europarates erhalten dieses Jahr den Preis, weil sie, wie es in der Begründung heißt, die europäischen Werte wie Menschenrechte, kulturelle Vielfalt und interkulturellen Dialog in die Praxis umsetzen und ein vielfältiges Erbe fördern, indem Menschen und Orte in Netzwerken der gemeinsamen Geschichte vereint werden.

Der Preis wird dem Europarat in einer Zeremonie am 9. Mai 2019 - dem Europatag - von Felipe VI, dem König von Spanien, offiziell übergeben. Die Festveranstaltung findet in der Kirche des königlichen Klosters von Yuste in Spanien statt. Der Preis umfasst Stipendien für Forschungen und Reisen zum Thema Europäische Integration in den Human- und Sozialwissenschaften, die unter dem Namen des Preisträgers vergeben werden. Auch die Prioritäten für die Vergabe setzt der Preisträger fest.

Dienstag, 2. April 2019

Friedhofsvereine vernetzt euch!

Ausschnitt von einem Grabmal auf dem Leipziger Südfriedhof
(Foto Leisner 2011)
Olaf Ihlefeld, der Friedhofsverwalter des Stahnsdorfer Friedhofes, kam am 17. Februar zum Ohlsdorfer Förderkreis in Hamburg und hat dort von "seinem" Friedhof und den Aktivitäten seines Förderkreises berichtet. Das war so inspirierend, dass sich nach dem Vortrag eine Gruppe zusammenfand, die nach englischem Vorbild einen Dachverein für die deutschen Friedhofsfreundes- und -fördervereine gründen will. Die Initiatoren stammen zum größten Teil aus dem Ohlsdorfer Förderkreis, aber natürlich ist auch Olaf Ihlefeld dabei. Sie wollen eine erste Koordinationsphase übernehmen.

Als Ziele formulieren sie vorab, dass die Vernetzung der aktiven Freundes- und Förderkreise in Deutschland dazu genutzt werden kann, Erfahrungen auszutauschen und Strategien zur Stärkung der Friedhöfe zu entwickeln. Ein Vorteil kann dabei sein, dass ein solcher Verband freier in der Öffentlichkeit agieren und notwendige politische Prozesse anstoßen können als einzelne Vereine oder die oft weisungsgebundenen Friedhofsverwaltungen.

Da ich selbst diese Idee schon lange mit mir herumgetragen habe und richtig gut finde, rufe ich hier alle Interessierten auf, sich per E-Mail bei der Initiativgruppe zu melden:

ini-friedhofsvereine@fof-ohlsdorf.de