Cover von: Ulrike Neurath, Tier und Tod |
Beide Abschnitte bilden die notwendige Vorinformation für den Hauptteil der Arbeit, in dem es zuerst um die Geschichte der Tierbestattung im Allgemeinen geht, die von den Katzenmumien im Alten Ägypten bis zu den Gräbern der Hunde Friedrich II. auf der Terrasse von Sanssouci und darüber hinaus reicht. Dagegen sind Tierfriedhöfe noch eine relativ junge Erscheinung, die mit dem Erstarken des Bürgertums verbunden werden kann.
Das Hauptaugenmerk der Autorin liegt allerdings auf den neuen Tierfriedhöfen, die seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert in Deutschland in immer größerer Zahl entstehen. Auf einer ausgesuchten Anzahl dieser neuen Friedhöfe hat sie die Anlagen selbst und besonders die Grabstätten für die "kleinen Lieblinge" genau unter die Lupe genommen. Sie hat dafür die Grabstätten inventarisiert und kategorisiert und im Anschluss daran sowohl die Grabmale mit ihren Inschriften, wie die Gestaltung der Grabflächen einer genauen Analyse nach Themen und Motiven unterzogen.
Farbige Abbildungen von Tiergrabstätten (S. 166/67) |
Dabei sind die zahlreichen schwarz-weißen Abbildungen der Gräber, sowie die farbigen Grabfotos in der Mitte des Buches sehr hilfreich, weil sie die Einzelanalysen jeweils bildlich belegen. Das überraschende Ergebnis dieser Untersuchung ist die Erkenntnis, dass die religiösen Jenseitsvorstellungen, die offiziell im Christentum nur für den Menschen gelten, ungefragt für die Tiere übernommen werden. Zudem sind die Grabstätten der Heimtiere nicht nur denen der Menschen und besonders denen der Kinder ähnlich, sondern gehen in ihrer überbordenden Gestaltung emotional sogar weit über die Möglichkeiten der Humangrabstätten hinaus. Das lässt für mich übrigens die Schlussfolgerung zu, dass die auf Humanfriedhöfen geregelte Grabgestaltung den Bedürfnissen der Trauernden wahrscheinlich nicht gerecht wird. Mit den Gestaltungssatzungen, die z.T. noch aus der Zeit der Friedhofsreformbewegung stammen, werden offensichtlich ästhetische Vorstellungen transportiert, bei denen der Wunsch der Angehörigen ihrer eigenen Trauer einen persönlichen Ausdruck zu geben mehr oder weniger ignoriert wird.
Durch die Arbeit von Ulrike Neurath wird aber auch die Intensität des – relativ neuen – Wandels vom Nutz- und Haustier zum Heimtier deutlich. Die Autorin zeigt auf, wie das Heimtier immer stärker anthropomorphisiert und damit zum Partner und sogar „besseren Menschen“ gemacht wird, um den z.T. tief getrauert wird. Mit dieser grundlegenden Untersuchung hat sie so ein neues Kapitel in der kulturwissenschaftlichen Betrachtung des Verhältnisses von Mensch und Tier aufgeschlagen, durch das auch für Humanfriedhöfe weitergehende Fragen aufgeworfen werden.
Ulrike Neurath, Tier und Tod. Mensch und Tier am Beispiel von Tierbestattungen. Fachhochschulverlag Frankfurt a. M. 2019, 344 S., zahlreiche schw.-w. und farbige Abbildungen, 25,00 Euro