Donnerstag, 19. Januar 2023

Friedhof als Fokus von Kulturpolitik

Screenshot von der Videoaufzeichung des Salongesprächs vom 17.1.2023
Das Kuratorium immaterielles Erbe Friedhofskultur e.V. lädt monatlich einmal zu einem digitalen Salon ein. Den Link zur Zoomsitzung erhält man, wenn man sich angemeldet hat. Der erste Salon fand vor kurzem am 17. Januar unter dem Titel „Friedhof als Fokus von Kulturpolitik: Geht das?“ statt. Eingeladen war Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung des Kulturrates "Politik & Kultur" und u.a. auch Vorsitzender des Stiftungsbeirates der Kulturstiftung des Bundes und Sprecher der Initiative kulturelle Integration. Der Deutsche Kulturrat ist der Spitzenverband der Bundeskulturverbände. Er ist der Ansprechpartner der Politik und Verwaltung des Bundes, der Länder und der Europäischen Union in allen kulturpolitischen Angelegenheiten. 

Olaf Zimmermann und der Geschäftsführer des Kuratoriums Tobias Pehle diskutierten eine halbe Stunde lang über die Frage, wieweit sich Friedhöfe mit kulturellen Veranstaltungen verbinden lassen. Ausgangspunkt war die Aussage, dass unsere Friedhofskultur "identitätsstiftender, integraler Bestandteil unseres gesamtgesellschaftlichen Kulturverständnisses" ist und dennoch "kaum größere kulturpolitische Beachtung" findet. Daran schloss sich die Frage an: "Woran liegt das, und was muss sich ändern, damit auch Friedhöfe ­ähnlich wie Theater und Museen in den kulturpolitischen Fokus rücken?" Die Frage, was sich ändern muss, wurde unter anderem auch damit beantwortet, dass sich auch bei den verantwortlichen Trägern der Friedhöfe das Bewusstsein ändern muss. In vielen Städten gehören die Friedhöfe zu den Umwelt- und Abfallwirtschaftsreferaten. Dort aber wird kaum die kulturpolitische Substanz dieser Orte wahrgenommen. Umgekehrt aber gilt der Kulturpolitik der Friedhof noch viel zu oft als ein "Un-Ort", mit dem man sich kaum oder gar nicht profilieren kann.

Tobias Pehle und Olaf Zimmermann kamen am Schluss überein, dass es sehr wünschenswert ist, dass die Politik bzw. die Kulturpolitiker - und darunter besonders die Kulturstaatsministerin - stärker auf die vielfältigen Bedeutungsebenen der Friedhöfe aufmerksam würde, so dass sie in der Folge auch durch ihren Einsatz die Aufmerksamkeit der kulturellen Akteure stärke auf das gemeinsame Kulturerbe Friedhof gelenkt werden könnte. Das Gespräch wurde zum großen Teil aufgezeichnet und ist auf Youtube veröffentlicht (siehe Bild). 

An der Zoomsitzung nahmen eine große Zahl von Personen aus verschiedenen Bereichen des Friedhofswesens und der Sepulkralkultur teil. Das schlug sich auch in den Anmerkungen im Chat nieder, die am Schluss vorgetragen wurden. Anzumerken ist, dass natürlich jeder Teilnehmende alles, was im Chat stand, selbst lesen konnte. So fand ich persönlich es unbefriedigend, das die eigentliche Diskussion mit dem Publikum nicht über Audio, sondern nur über Chatbeiträge lief. So wurde dort z.B. auf kulturelle Veranstaltungen hingewiesen, die schon auf Friedhöfen stattfinden, wie die erfolgreichen Konzerte auf dem St. Barbara-Friedhof in Linz, oder die Verbindung von Informationen im Internet mit Hilfe von QR-Codes an den Grabstätten berühmter Persönlichkeiten. Auf der anderen Seite wurde im Chat die Bedeutung von Friedhofsentwicklungsplanung bzw. Friedhofskonzepten für die Wahrnehmung der Begräbnisplätze durch die Politik hervorgehoben (in Bonn; Großstadt im Ruhrgebiet). Gefragt wurde auch, ob nicht eine Kulturentwicklungsplanung für Friedhöfe anstehe. 

Als Anmerkung: Ich persönlich würde in der Erstellung einer Handreichung zum Thema Kultur auf dem Friedhof ein gewisses Potential sehen, um einerseits breiter bekannt zu machen, welche Möglichkeiten schon heute für kulturelle Veranstaltungen bestehen und andererseits die Besonderheit des Friedhofes als Ort der Trauer und der Erinnerung hervorzuheben, auf dem man nicht "Kultur as usual" veranstalten kann. Wie hieß es so richtig im Chat zu den Friedhofskonzerten: Immer mit Stil und dem Ort angepasst!