Freitag, 6. Januar 2023

Der Alte Niendorfer Friedhof

Cover: Manfred Meyer "Alter Niendorfer Friedhof"
Niendorf ist heute ein Stadtteil von Hamburg, der früher als Dorf weit außerhalb der Stadtgrenze der Hansestadt lag. Die Niendorfer und die Bewohner der umliegenden Dörfer mussten damals ihre Toten in das weit entfernte Eppendorf, das zu Hamburg gehörte, tragen, denn bis zum 18. Jahrhundert waren sie dorthin eingepfarrt. Das änderte sich mit der Gründung eines neuen Kirchspiels und dem Bau einer neuen Kirche in Niendorf, deren Einweihung am 14. November 1770 stattfand. Seitdem konnten die Bewohner des neuen Kirchspiels, zu dem auch umliegende Dörfer gehörten, ihre Toten auf dem neuen Kirchhof um die Kirche herum begraben. Dieser erwies sich, wie so oft, bald als zu klein und musste mehrfach erweitert werden. Später kam noch ein zweiter Friedhof ganz in der Nähe hinzu. Der - nun alte - Friedhof verlor aufgrund von Straßenbauarbeiten im 20. Jahrhundert dann wieder an Größe. 

Die hier kurz angerissene Friedhofsgeschichte kann man ausführlich in dem neuen Buch "Der Alte Niendorfer Friedhof" von Manfred Meyer nachverfolgen. Der Autor hat mehrere Jahre lang intensiv geforscht und legt in seinem neuen Buch nicht nur die Friedhofsgeschichte, sondern auch die Geschichte der Familien und Persönlichkeiten, die auf diesem Friedhof bestattet worden sind, ausführlich dar. Das über 280 Seiten starke Werk, das den Friedhof und die Bestatteten in Wort und Bild vorführt, ist dankenswerter Weise in der Edition des "Forum Kollau, Verein für die Geschichte von Lokstedt, Niendorf und Schnelsen" herausgegeben worden, in der auch schon ein Werk über die Geschichte der ungewöhnlichen achteckigen Barockkirche erschienen ist. 
Doppelseite zur Friedhofsgeschichte

Der Inhalt des Friedhofsbuches umfasst viele unterschiedliche Aspekte: Angefangen von der wechselvollen Geschichte des Begräbnisplatzes bis zu dem einzigen Mausoleum, das dort errichtet worden ist. Dazu gehören auch Geschichten "um und auf dem" Friedhof, wie z.B. Erinnerungen an die harte Arbeit des Bestatters im Wandel der Zeit oder Quellen zum Kampf der Niendorfer Bevölkerung gegen die geplante rigide Abholzung von Bäumen, die den Flugverkehr auf dem nahegelegenen Airport Hamburg störten. Einzelne Kapitel beschäftigen sich außerdem mit den Bäumen, der Grabmalentwicklung, einem Blick in die Friedhofsbücher, mit den Grüften, den Galvanoplastiken und mit speziellen Friedhofsbereichen, wie der "Gedenkstätte", den relativ neuen Urnengemeinschaftsanlage oder den Pastorengräbern. Ganz neu sind die Hinweistafeln mit QR-Code, auf die hier schon hingewiesen wurde.

Auf die verschiedenen Friedhofsaspekte folgt die Darstellung der Grabstätten und zugehörigen Familien und Persönlichkeiten in alphabetischer Reihenfolge. Interessant ist, dass viele sehr wohlhabende Hamburger Familien hier ihre Ruheplätze erworben haben. Ende des 18. und im 19. Jahrhundert verlegten sie gern ihre Sommersitze aus der heißen und stickigen Stadt in die grüne Umgebung und neben den Elbvororten bevorzugten sie auch das ländliche Niendorf mit seinem damals noch dörflichen Charakter. So finden sich in Niendorf zum Beispiel mehrere Grabstätten von Mitgliedern der Familie Amsinck, die in Hamburg unter anderem an der Gründung der Vereinsbank Hamburg, der HAPAG und der Hamburg Süd beteiligt war und mehrere hochrangige Mitglieder der Stadtregierung stellte.

Extra zusammengefasst worden sind die Grabstätten der großen Bauernfamilien, also der alteingesessenen Dorfbewohner, und die der Gastwirtsfamilien. Denn durch den aufblühenden Ausflugsverkehr der Hamburger entwickelte sich Niendorf zu einem ländlichen Reiseziel, an dem zahlreiche Gastwirtschaften Erfrischungen anboten. 

Doppelseite mit Friedhofsbild und Grabstätte von Alma de l''Aigle
Insgesamt ermöglicht das Buch einen tiefen Einblick in die Ortsgeschichte und darüber hinaus, sind doch auf dem Friedhof so interessante Persönlichkeiten wie zum Beispiel der Erfinder der Kemm'schen Kuchen, einer Hamburger Gebäckspezialität, oder auch die Reformpädagogin und Rosenliebhaberin Alma de l'Aigle beerdigt, um nur zwei Namen aus der Vielzahl, der in dem Buch vorgestellten Persönlichkeiten, zu nennen. Damit bildet das Buch zugleich ein umfangreiches Nachschlagewerk, in dem man aufgrund des Namensregisters schnell Informationen zu gesuchten Personen findet. Die zahlreichen, meist farbigen Abbildungen, die den Friedhof in allen Jahreszeiten, aber auch jedes im Buch erwähnte Grab verbildlichen, machen es gleichzeitig zu einem opulenten Bildband mit ansprechendem Layout. 

Dem Autor und Kenner des Alten Niendorfer Friedhofs möchte ich dazu meinen herzlichen Glückwunsch aussprechen, wobei ich der Fairness gegenüber meinen Lesern halber anmerken muss, dass ich im letzten Jahr das Lektorat dieses Werkes übernommen hatte. 

Manfred Meyer, Der Alte Niendorfer Friedhof - ein Vierteljahrtausend Niendorfer Bestattungskultur
Geschichte und Geschichten 1770-2022, Edition Forum Kollau 2022, 288 Seiten, gebunden, über 500 mehrfarbige Abbildungen, ISBN 978-3-00-073746-6, EUR 24,50,
Bestellungen per Mail an bestellung@forum-kollau.de