Dienstag, 28. März 2023

Friedhofs-Rallye mithilfe von QR-Codes

Taborfriedhof, Blick aus einem der Arkadengänge zum Torturm am Haupteingang
"Actionbound" ist eine App, mit der jeder und jede eine Smartphone-Rallye selbst ausgestalten kann. Sie ist kostenlos und wurde ursprünglich als medienpädagogisches Projekt gestartet. Diese App hat die Lehramts-Studentin Maria Bergsmann (sie heißt inzwischen Maria Gaisbauer) für ihre Masterarbeit "Friedhofserkundung digital? Veränderung von Schüler*innen-Einstellungen zum Friedhof“ verwendet und eine Schüler-Rallye für den Taborfriedhof im österreichischen Steyr für ihr Lehrfach katholische Religion entwickelt.

Für die Teilnahme muss man die App auf sein Smartphone oder Tablet herunterladen. Für den Fall, dass man unterwegs kein Internet hat, kann man den Inhalt der Rallye auch vorher herunterladen. Auf dem Friedhof sind an dreizehn Stationen QR-Codes angebracht, die man mit der App scant. Audio-Dateien und Texte vermitteln dann Informationen zu den Themen, die vor Orte im jeweils im Mittelpunkt stehen. 

Es gibt insgesamt 13 Stationen, die vom "Ankommen und Wahrnehmen", über die Friedhofsgeschichte, Symbole am Friedhof, eine besondere Gruft, Grabsprüche und die spezielle Lebensgeschichte einer Verstorbenen, zu einer weiteren wichtigen Gruft und der Familie, der sie gehörte, speziellen Symbolen auf Kindergräbern, dem Thema Evangelischer und jüdischer Friedhof - dieses Thema hängt eng mit der Friedhofs- und Stadtgeschichte zusammen -, den Kriegerfriedhöfen, der Grab- und Gedenkstätte der Notschlafstelle des Vereins Wohnen bis zum der Grabstätte für die „Sternenkinder“ reichen. 

Wenn Schüler und Schülerinnen diese Rallye im Klassenverband unternehmen, dann werden sie in Kleingruppen aufgeteilt und sind durch Impulsfragen immer wieder zu Gesprächen und weiteren Überlegungen eingeladen. So heißt es zum Beispiel bei der ersten Station, dass sich jede eine angenehme Position suchen und zwei Minuten lang alles um sich herum aufmerksam wahrnehmen soll. Fragen lenken dabei die Aufmerksamkeit und die Antworten sollen aufgeschrieben werden. Wer will, kann sich danach in seinem Team über die Antworten austauschen. Die urprünglich nur für Schüler zwischen 13 und 14 Jahren gedachte Rallye ist inzwischen auch in einer kostenlosen Erwachsenen-Version herunterladbar, die ohne die Anweisungen für die Schüler auskommt.

Die Masterarbeit untersucht dabei die verschiedenen Aspekte der Einbindung digitaler Medien in die religiöse Bildung und zeigt dabei auch religionspädagogische Zugänge zur Friedhofspädagogik auf. Dabei geht es der Autorin darum, dass der Friedhof bei dieser Art der Begehung als religiöser Erfahrungs- und Lernort entdeckt werden kann. Dazu geht sie auch näher auf den Taborfriedhof ein, der zwischen 1570 und 1584 von der damals überwiegend protestantischen Stadt Steyr erbaut wurde. Er ist einer der wenigen Friedhöfe vom Campo-Santo-Typus, die es im Süddeutschen und Österreichischen Raum gibt, und der einzige, der heute noch zum Beerdigen genutzt wird. Der älteste, beinahe quadratische Teil ist ganz von einer Mauer mit einem Arkadengang eingefasst. Dort befinden sich insgesamt 83 Grüfte. Der Gang wird von einem Torbogen mit Eingangsturm durchbrochen. In der Mitte der Anlage steht eine Heiliggrabkapelle. In Steyr kam es zur Gegenreformation und so wurde der Friedhof erst im Jahr 1628 als katholischer Begräbnisplatz geweiht. 1840 wurde er erstmals erweitert. 1874 wurde der Jüdische Friedhof mit einem eigenen Eingang angebaut. Als während der Zeit der Industrialisierung die Bewohnerzahl in Steyr anstieg, wurde eine weitere Erweiterung nötig, in der weitere Arkadengrüfte und eine freistehende Gruft, die Werndlgruft, errichtet wurden. 1892 wurde ein Evangelischer Friedhof angelegt, der vom Katholischen Friedhof durch eine Mauer mit breiten Durchgang getrennt ist. Die Autorin zitiert für diesen Teil ihrer Arbeit aus dem Buch über den Friedhof, das 2016 von Josef Stubauer und Ernst Schimanko herausgegeben wurde.

Nach weiteren theoretischen Vorbemerkungen zur digitalen Friedhofserkundung und ihrer Einbettung in den Lehrplan und religionsdidaktischen Diskurs, sowie der Nutzung der App Actionbound, zeigt die Autorin als grundlegendes Ziel auf, dass die Schüler und Schülerinnen ihre Vorstellungen zum Ort Friedhof anreichern und ein differenziertes Bild von ihm und seiner Bedeutung entwickeln können, "um daraus gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen mit ihren eigenen Vorstellungen in Beziehung zu setzen und ihren Erfahrungshorizont zu erweitern" (S. 58). Erprobt hat die Autorin die Rallye mithilfe einer Schulklasse, in der auch Lerntagebücher geführt wurden. Durch sie wurde anschließend der Lernerfolg evaluiert, der in der Arbeit ausführlich dokumentiert wird.

QR-Rallyes über historische Friedhöfe lassen sich mit der App Actionbound fast ohne weitere Vorkenntnissen relativ einfach erstellen, wobei die Herstellung der benötigten Texte, Audios und Videos natürlich Zeit beanspruchen und die Vorarbeiten der Erfoschung der Friedhofsgeschichte als Vorraussetzung benötigt werden. Trotzdem scheinen mir solche Rallyes eine interessante Möglichkeit das Interesse von Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen für kulturhistorisch bedeutsame Friedhöfe zu wecken und zu stärken. Insofern ist die Arbeit von Maria Bergsmann (heute: Gaisbauer) durchaus als wegweisend für die Öffentlichkeitsarbeit von Friedhöfen anzusehen.

Kontakt für Pädagogen: Interessierte Lehrpersonen können sich für weitere Infos per E-Mail an maria.bergsmann18@gmail.com wenden.
 

Die Adresse des Actionbounds ist: https://de.actionbound.com/bound/steyrertaborfriedhof

Maria Bergsmann (BEd), „Friedhofserkundung digital? Veränderung von Schüler*innen-Einstellungen zum Friedhof“, MASTERARBEIT / MASTER’S THESIS, angestrebter akademischer Grad / in partial fulfilment of the requirements for the degree of Master of Education (MEd), Wien, 2021 / Vienna, 2021
 
Bildnachweis: von Christoph Waghubinger (Lewenstein) - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10474986