Mittwoch, 3. Mai 2023

500 Jahre Taucherfriedhof Bauten

Buchcover
Der Taucherfriedhof in Bautzen feiert in diesem Jahr sein 500jähriges Bestehen. Schon durch dieses hohe Alter, das in Deutschland nicht allzu viele Friedhöfe erreichen, ist er ungewöhnlich. Dazu kommen aber noch weitere Faktoren, die ihn zu einem echten Kleinod der deutschen Friedhofslandschaft machen.

Zu dem Jubiläum ist ein handliches Buch erschienen, das neben einem Abriss zur Geschichte dieses Friedhofs und des daran angrenzenden Miachelisfriedhofs über 100 historische Grabanlagen und Grabmäler vorstellt. Dabei stehen die Lebensgeschichten der Bestatteten im Vordergrund und die Grabmale erscheinen - leider - in sehr kleinen Bildern. Durch Pläne auf den Innenseiten der beiden Umschläge, in die die Grablagen mit den Nummern der behandelten Orte eingezeichnet sind, eignet sich dieses Buch hervorragend vor Ort als Führer für Friedhofsspaziergänge. 

Aber auch sozusagen von weitem bietet das Jubiläumsbuch einen guten Einstieg in die Besonderheiten dieses Friedhofs, die ihn aus der Menge der historischen Friedhöfe hervorheben. Denn dieser Begräbnisplatz spiegelt die Stadtgeschichte auf ganz besondere Weise wider. Er wurde in reformatorischer Zeit außerhalb der Stadt angelegt; zu einem Zeitpunkt, als  die Anhänger der neuen Religion sich in Bautzen noch nicht vollständig durchgesetzt hatten. 

Warum der Name Taucherfriedhof nichts mit dem Tauchen unter Wasser zu tun hat, wird gleich am Anfang erläutert. Der Kunsthistoriker Kai Wenzel geht dabei ausführlich auf die Friedhofs- und Religionsgeschichte der Stadt ein, die wie üblich mit den Begräbnissen um die Kirchen und Klöster beginnt. Der neue Taucherfriedhof wurde aus der Stadt heraus nach Osten verlegt, weil der Kirchhof zwischen dem Rathaus und dem Petridom nicht mehr zum Beerdigen ausreichte. Der Name geht auf ein gleichnamiges Waldstück bei dem Dorf Uhyst  - 15 km von Bautzen entfernt - zurück und ist von dem sorbischen Wort für muffig oder modrig abgeleitet. In diesem Wald stand eine Wallfahrtskapelle. Offenbar wurde das Treiben der Wallfahrenden dem Rat der Stadt, dem der Wald gehörte, zu bunt, so dass man 1523 das Gnadenbild in die Dorfkirche von Uhyst bringen, die Kapelle zerlegen und auf dem Friedhof neu aufrichten ließ.

Diese hölzerne Friedhofskirche wurde 1550 durch einen Sturm zerstört. Ein Neubau, die heute noch bestehende Taucherkirche, konnte dann erst ein halbes Jahrhundert später im Jahr 1599 feierlich eingeweiht werden. Ein interessanter Fakt am Rande ist, dass es spätestens seit der Vergrößerung des Nordportals dieser Kirche im 19. Jahrhundert üblich war "mit dem Leichenwagen von der Stadt kommend durch das renaissancezeitlichliche Südportal direkt in die Kirche zu fahren". Dort fand dann der Trauergottesdienst statt, nach dem der Wagen durch das Nordportal auf den Friedhof fuhr (S. 26). 

Wie üblich wurde der Friedhof mehrfach vergrößert, wobei ein eigenes Kapitel der Geschichte der Michaeliskirche und ihres Bestattungsplatzes gewidmet ist. Dieser wurde direkt an den Taucherfriedhof angrenzend 1878 eingeweiht und ist heute von zwei späteren Erweiterungen des Taucherfriedhofs eingefasst.

Noch vor dem Kapitel zur Geschichte des Michaeliskirchhofes und zu seinen Grabstätten werden insgesamt 92 Grabstätten des Taucherfriedhofs vorgestellt. Es nimmt allerdings etwas Wunder, dass in diesem Kapitel die beiden denkmalpflegerisch besonders hervorzuhebenden barocken Grufthausreihen des 18. Jahrhunderts nicht einzeln mit ihren kostbaren Gittern und den dort bestatteten Persönlichkeiten erläutert werden. Die Grufthäuser werden zwar im Text zur Friedhofgeschichte erwähnt, finden sich aber danach nur mit einigen Beispielen, der in ihnen aufgestellten Grabmale. Die nördliche, etwas ältere Reihe bildet laut dem Text der Unterschutzstellung "einen recht einheitlichen Gebäudezug mit aufwendig gearbeiteten Gittern (1992–94 außen restauriert)", während die neuere an der Ostseite, ebenfalls mit kunstvollen Gittern ausgestaltet ist, in ihrem südlichen Teil aber aus unterschiedlich gestalteten Grufthäusern besteht. Es wäre also sehr schön gewesen, wenn diesen nur noch auf wenigen Friedhöfen in dieser Art erhaltenen Bauten etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden wäre. Dagegen werden zwei einzeln stehende Mausoleen - das des Stifters Franke und das der Unternehmerfamilie Tietzen - ausführlich behandelt. 

Grabmal Zeidler (Quelle)
Eindrucksvoll sind die zahlreichen und zum Teil sehr aufwendig gestalteten barocken Grabmale dieses Friedhofs, die leider oft in keinem guten Zustand erhalten sind. Trotzdem bekommt man über die Bilder und Texte einen guten Eindruck, welch ein kultureller Reichtum auf diesem Begräbnisplatz noch heute vorhanden ist. Schon innen und außen an der Taucherkirche und dem ehemaligen Beinhaus sind einige dieser hochinteressanten Bildwerke zu finden. Als ein Beispiel soll die hier abgebildete barocke Grabstele des Geistlichen Heinrich Basilus Zeidler genannt sein. Ihr dreiteiliger Aufbau zeigt in der Mitte einen Altartisch mit Büchern, Kelch und Kruzifix zusammen mit seinem Familienwappen, während in dem Aufsatz darüber unter einer herabfliegenden Taube, dem Symbol des Heiligen Geistes, der Heilige Antonius der Große und Christus als Weltenherrscher in einer Wolkenlandschaft erscheinen und im unteren Bereich eine ausführliche lateinische Inschrift die Lebensdaten des Verstorbenen und seiner Familie aufzählt.

Es lassen sich in dem Buch noch zahlreiche weitere sehr ungewöhnliche Beispiele für die barocke Grabmalkunst der Gegend finden. Aber es gibt auch viele interessante Lebensgeschichten und Grabmale aus späteren Zeiten wie zum Beispiel das klassizistische Grabmal für Christian Janus (1715-1790) , bei dem ein plastischer Januskopf auf einem Sockel steht. Auch die Erinnerung an seltsame Begebenheiten hat sich in den Friedhof eingeschrieben. Eine schlichte Steinplatte erinnert an Konrad von Stoffregen, der 1813 am Grab seiner einige Jahre zuvor in Bautzen plötzlich verstorbenen Mutter den Tod fand. 

Zudem sind sowohl auf dem Taucher- wie auf dem Michaelisfriedhof die Grabstätten von Persönlichkeiten zu finden, die vor Ort die Kultur der sorbischen Minderheit vertreten und fortgeführt haben, wie zum Beispiel auf dem Michaelisfriedhof das Grab von Dr. Arnošt Muka (1854-1932), einem bedeutenden sorbischen Wissenschaftler und Pädagogen, dem Bautzen unter anderem sein wendisches (später Sorbisches) Museum verdankt. Auch sein Wirken hat dazu geführt, dass die Stadt als das politische und geistig-kulturelle Zentrum der Sorben gilt.

Auf beiden Friedhöfen finden sich natürlich auch Grabanlagen, die an das Kriegsgeschehen erinnern, das in den letzten Jahrhunderten immer wieder die Stadt überrollte; darunter das Denkmal für die Gefallenen der Schlacht bei Bautzen von 1813; ein monumentales Mahnmal für russische, italienische, französische, serbische und englische Kriegsgefangene des Ersten Weltkrieges, die im Kriegsgefangenenlager in Bautzen starben, und ein Mahnmal für 700 Bautzener Bürger, die noch bei den Kämpfen im April 1945 den Tod fanden.

Auf die gründlich recherchierten Lebensgeschichten und Erinnerungen an politische Ereignisse werden in zwei weiteren Kapiteln zum einen der Taucherfriedhof als Naturraum vorgestellt und zum anderen in einem Gespräch zwischen dem jetzigen Friedhofsverwalter und seinem Vorgänger der Arbeitsplatz Taucherfriedhof beleuchtet.

Ein Anhang mit Quellen- und Literaturverzeichnis und Personenregister machen den Band auch für weitergehende Forschungen nutzbar. Insgesamt bietet dieses Buch damit nicht nur einen hochinteressanten Führer über die den ältesten Friedhof der Stadt Bautzen, sondern stellt zugleich auch eine Geschichte der Stadt und ihres Umkreises dar, die anhand einzelner Lebensschicksale erzählt wird. Ergänzend würde ich mir jetzt eigentlich nur noch einen opulenten Bildband über den Friedhof wünschen, in dem die bedeutendsten historischen Grabmale mit großformatigen Fotos in ihrem kunsthistorischen und kulturellen Kontext vorgestellt und erläutert würden. Mehr Öffentlichkeitsarbeit würde sicher auch der Wertschätzung vor Ort zugute kommen, so dass die Mittel für dringend anstehende Restaurierungen zusammen kommen. So sucht man leider auf Wikipedia vergeblich nach einem eigenen Beitrag über die beiden Friedhöfe (immerhin findet man in der Liste der Kulturdenkmale in Nordostring (Bautzen) die denkmalpflegerische Beschreibung der unter Schutz gestellten Anlage mit ihren unter Schutz stehenden Bauwerken und Grabmalen). 

Heinz Henke/Christoph Kretschmer/Kai Wenzel, 500 Jahre Taucherfriedhof Bautzen. Herausgegeben von der Stadt Bautzen und dem Ev.-Luth. Kirchspiel Bautzen. Schriftenreihe des Archivverbundes, 5, Bautzen 2023, 216 S., s/w- und Farbabb., mit Lageplänen ISBN 978-3-96311-605-6

Anlässlich des Jubiläums finden einige Veranstaltungen statt, deren Daten schon feststehen:
- 14. Mai 2023 um 15 Uhr: Festgottesdienst in der Taucherkirche
- 10. September 2023: Tag des offenen Denkmals am
- 09. September 2023 bis 07. Januar 2024: Ausstellung im Museum Bautzen 

Dazu kommen verschiedene Führungen und ein Vortrag, deren Termine noch in einem Flyer und auf der Webseite des Friedhofs veröffentlicht werden.

Zum Jubiläum ruft die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz in ihrem Magazin "Monumente" unter dem Titel "Würdevolle Schönheit, schöpferische Vielfalt" zu Spenden zur Erhaltung der Grabmale auf.