Dienstag, 19. Juli 2011

100 Jahre Krematorium und Urnenhain Dresden-Tolkewitz

Buchcover (Foto Leisner, mit fr. Genehmigung des
Sax Verlag )
Das hier schon im Frühjahr (Post vom 2.5.2011) angekündigte Buch zum Jubiläum des Krematoriums und des Urnenhain Dresden-Tolkewitz liegt inzwischen seit knapp drei Wochen auf meinem Schreibtisch.

Diese Zeit habe ich auch gebraucht, um mir diesen 219 Seiten starken, großformatigen, gebundenen Sammelband genauer anzusehen, und mein Eindruck ist: Dem "Jubilar" wurde mit diesem Buch ein prall gefüllter Präsentkorb überreicht, der lange vorhalten wird.

Insgesamt sind an diesem Band achtundzwanzig namhafte Autoren - zum Teil mit mehr als nur einem Beitrag - beteiligt. Auf alle einzeln einzugehen, scheint mir hier nicht sinnvoll. Das Inhaltsverzeichnis lässt aber hoffentlich nachvollziehen, wie weitgehend die Beiträge alle denkbaren Bezüge zur Geschichte von Feuerbestattung, Krematoriumsbau und der Aufstellung von Urnen in Dresden-Tolkewitz abdecken.


Marion Stein führt nach einer Reihe von Geleitworten mit einer Darstellung der ersten modernen Feuerbestattung Europas, die in Dresden stattfand, in das Thema ein und macht dabei deutlich, wie ungewöhnlich die technische Neuerung der Kremation im 19. Jahrhundert war; so ungewöhnlich nämlich, dass eine englische Lady nach ihrem Tod nach Deutschland überführt werden musste, um ihren dringenden Wunsch eingeäschert zu werden zu erfüllen.

Ulrich Hübner geht danach ausführlich auf den Bau und die möglichen Vorbilder des Krematoriums ein und skizziert Fritz Schumachers Ideen zu dieser vor hundert Jahren noch seltenen Bauaufgabe, die nicht nur in modernen sondern auch mit zahlreichen historischen Abbildungen dargestellt wird, während Ulricke Hübner-Grötzsch den angrenzenden Urnenhain und mit seinen Einflüssen durch die Friedhofsreformbewegung vorstellt. An dieser Stelle wäre es für Interessierte, die diese Anlage nicht persönlich kennen, angenehm gewesen, wenn dem eigentlichen Thema des Beitrages eine Entwicklungsgeschichte des Tolkewitzer Urnenhaines mit der entsprechenden Plangrundlage vorausgegangen wäre. Dadurch hätte man - nicht nur verbal sondern auch bildlich - einen Eindruck davon bekommen, welche Bereiche ab wann in die Gestaltung und Belegung einbezogen worden sind.

Doch soll diese kritische Anmerkung keineswegs die Bedeutung der einzelnen Beiträge schmälern, die nun mit statistischen Anmerkungen zu den ersten Betriebsjahren des Krematoriums, den folgenden Krematoriumsbauten in Tolkewitz und einem Blick auf die heutige umweltfreundliche Technik die Entwicklungsgeschichte fortfahren. Auch das Thema Trauern wird in den Blick genommen, wobei Peter Neumann seinen Beitrag zu den Tolkewitzer Trauerfeiern für meinen Geschmack gern noch breiter hätte  ausarbeiten können, während der Hinweis auf die "Trauerarbeit"  den Rahmen dieses doch eher auf historischen Sammelbandes  vielleicht  ein wenig sprengt und auch der Beitrag von Reiner Sörries über Bestattungskultur im Wandel über diesen Rahmen hinausweist.

Sozusagen die zweite Hälfte des Buches ist weitgehend den verstorbenen Persönlichkeiten und ihren Grabmalen gewidmet, die in Tolkewitz feuerbestattet bzw. aufgestellt worden sind. Mit Staunen lernt der Betrachter, welche Vielfalt und Pracht anfangs für die Beisetzung der Urnen entwickelt wurde. Eindrucksvoll sind dabei die Beiträge von Ferdinand Heinz, Martin Kaden und Jan-Michael Lange, die sich mit den Gesteinsanwendungen am Krematorium und auf dem Urnenhain befassen. Sie stellen nicht nur die wichtigsten Gesteine und dazu auch die Steinbrüche vor, aus denen sie gewonnen wurden, sondern dokumentieren sie auch ausführlich im Bild und weisen ihre Standorte nach. Zusätzlich werden diese interessanten Informationen in das Spannungsfeld der Friedhofsreformbewegung eingebunden. Gerade dieser Beitrag von Ferdinand Heinz verdeutlicht die Geschichte der Reformbewegung von einer bisher unbekannten Seite und führt damit die Forschung einen weiteren Schritt voran.

Zwischen dem letzten umfangreichen Beitrag "100 Jahre Urnenhain - 100 Persönlichkeiten", der die stadtgeschichtliche Seite der Anlage eindrücklich beleuchtet, gehen die kleineren Aufsätze zur Vogelwelt und Fauna des Urnenhaines ebenso wie das "Plädoyer für eine Re-Vision der Friedhofskultur" fast unter. Gerade dieser Beitrag hätte meiner Meinung gut am Ende dieses umfangreichen Sammelbandes stehen können, denn hier werden sozusagen alle Argumente gebündelt, die in den historischen Darstellungen aufscheinen und dafür sprechen, die Friedhofskultur mit neuen Augen zu betrachten und dabei besonders jene Werte herauszustellen, für die sie auch in unserer mobilen Welt immer noch stehen kann, nämlich ein Ort der Trauer, der Erinnerung und der Rückbesinnung zu sein, und das nicht nur auf der persönlichen Ebene, sondern viel breiter als Erinnerungs- und Ruheort für alle, die sich für die Geschichte und die Menschen interessieren, die das Leben an dieser Stelle einst geprägt haben und damit z.T. noch in die Gegenwart hinein wirken.

100 Jahre Krematorium und Urnenhain Dresden-Tolkewitz. Unter den Flügeln des Phönix. ISBN: 978-3-86729-080-7, Sax Verlag 2011. Format: 21 x 29,7 cm, 224 Seiten,130 einfarbige Abbildungen, 310 farbige Abbildungen. Gebundene Ausgabe. Preis: 29,80 €