Dienstag, 15. Januar 2013

Der Tod und das Meer - Der Katalog zur Ausstellung

Anfang Dezember habe ich hier von der Flensburger Ausstellung berichtet, die 2013 auch in anderen Museen des Nordens zu sehen sein wird. Jetzt habe ich auch den Katalog dazu vorliegen und mit großem Interesse gelesen. Die neun Textbeiträge dieser Publikation haben mir persönlich zusammen mit dem ausführlichen Katalogteil einen ganz neuen Zugang zu den Phänomenen von Schifffahrt und  Meer eröffnet.

Gleich zu Anfang stellt Andreas Machemehl den Begriff der Katastrophe in seiner historischen Entwicklung dar und macht damit einführend klar, wie die Menschheit ihre Unglücksfälle begrifflich ganz unterschiedlich gefasst und damit auch beurteilt hat. Norbert Fischer erweitert seine bisherigen Forschungen zum Thema "Namenslosenfriedhöfe" mit seinem Beitrag zur Gedächtnislandschaft der Katastrophe um die maritimen Memorials entlang der Nord- und Ostseeküste, die er mit ihren Intentionen vorstellt. Martin Rheinheimer widmet sich besonders den Schiffsdarstellungen auf den Seemannsgrabsteinen der Inseln Amrum und Föhr. Dabei zeigt er auch die sozialgeschichtlichen Hintergründe auf und weist auf die verschiedenen Bedeutungsgehalte dieser Darstellungen, die sich sowohl auf echte Schiffe, mit den denen der Verstorbene zur See gefahren ist, wie auf die Lebensreise selbst beziehen lassen, die aber auch Zeichen für einen geglückten sozialen Aufstieg sein und damit der Selbstdarstellung dienen konnten. In die jüngste Vergangenheit führen dann die Interviews, die Svea Wendt mit Seemannsfrauen geführt hat, deren Leben durch die langfristige Abwesenheit den Mannes auf eigene Weise geprägt worden ist.

Tod und Meer kommen auf besondere Weise zusammen in den Bildern, die Stefanie Knöll zum Ausgangspunkt ihrer Untersuchung über den "Schiffbruch als moralisch-didaktisches Schauspiel" macht. Auf ihnen erscheint der Knochenmann persönlich und beobachtet mehr oder weniger gelassen, wie Schiffe an Klippen zerschmettern und Seeleute im tosenden Meer versinken. Knöll geht dabei auch auf den Untergang der Titanic ein und kommt zu dem Schluss: "Wenn ... das Eismeer symbolisch für das Ende des Lebens steht und der Tod traditionell als letzter unvermeidlicher Schiffbruch imaginiert werden kann, dann scheinen beim Untergang der Titanic mehrere geläufige Sinnbilder in einem realen Ereignis aufeinadergetroffen zu sein. Dazu kommen die eng mit der Schifffahrt verknüpfte Kritik am Streben nach Luxus und Geld sowie die menschliche Hybris - Element, die in besonderen Maße auf den technisch gut ausgestatteten 'Luxusdampfer' passen."  (S. 40)

Nocheinmal wird das Motiv des Schiffbruchs von Michael Overdick aufgenommen, der entsprechende Bilder der Romantik untersucht und dabei auch zwei so unterschiedliche Werke wie "Das Eismeer" von Caspar David Friedrich und "Das Floß der Medusa" von Théodore Géricault miteinander vergleicht und dabei sowohl die historischen Hintergründe wie die Rezeptionsgeschichte und den Bildaufbau mit ins Spiel bringt. Torkild Hinrichsen dagegen führt den Leser ein in die Geschichte der Seenotrettung ein und zeigt, wie am Ende des 19. Jahrhunderts die Retter bildlich und verbal zu Helden des Meeres stilisiert wurden.

Einen ganz anderen Aspekt behandelt der Beitrag "Tod am Meer" von Jörg Vögele, der zeigt, wie gefährdet besonders die Unterschichten in den Hafenstädten durch Seuchen waren, die aus Übersee eingeschleppt wurden. In den armseligen Kellerwohnungen und Hinterhöfen der Quartiere der Hafenarbeiter wütete immer wieder die Cholera und auch die Kindersterblichkeit erreichte dort besonders hohe Zahlen. In "Tod auf dem Meer" widmet sich zum Schluss Matthias Seeberg dem Thema der Piraterie und bringt besonders die moderne Piraterie in Zusammenhang mit dem Terrorismus, zeigt aber auch, dass es ähnliche historische Phänomene gegeben hat.

Im Katalogteil sind die Ausstellungsstücke unter den Titeln: "Die Naturgewalt des Meeres", "Seefahrt als Lebensreise", "Wellenberg und Totentanz", "Vom Warten, Hoffen, Trauern und Erinnern" und "Rettung aus Sturm und Not" sinnvoll zusammengefasst. Der Leser profitiert dabei davon, dass zwei Gruppen von Studenten besonders ausführliche Informationstexte zu jedem einzelnen Exponat erarbeitet haben. Dadurch wird auch dieser - oft etwas trockene - Abschnitt zu einer spannenden Lektüre, durch die man auf viele Einzelheiten aufmerksam wird, die einem sonst sicher entgangen wären. Als Beispiel sei hier die Katalognummer 8 mit der Titelseite des Daily Sketch vom 3. Februar 1914 angeführt. Darauf ist der Untergang der Viermastbark Hera vor Falmouth dargestellt. Die wenigen Überlebenden sind darum herum im Porträts angeordnet. Ohne den zugehörigen Text, dass die Helfer nur durch eine Signalpfeife zum Schiff geführt wurden, würde man kaum genauer hinsehen, um die Signalpfeife zu erkennen, die einer der Geretteten am Mund hat.

Stefanie Knöll, Michael Overdick, Norbert Fischer, Thomas Overdick (Hg.): Der Tod und das Meer: Seenot und Schiffbruch in Kunst, Geschichte und Kultur. 168 Seiten, Hardcover, gebunden. 19,90 Euro
ISBN 978-3-943582-02-4 (Gedruckt mit Unterstützung des Lehrförderungsfonds der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)