Donnerstag, 8. Oktober 2015

Berlin - Der Friedhofsführer

Berlin - Der Friedhofsführer, 2015,
Edition Braus
Nachdem Norbert Fischer und ich vor Jahren (1999) das Buch "Der Friedhofsführer - Spaziergänge zu bekannten und unbekannten Gräbern in Hamburg und Umgebung" geschrieben haben, interessiert mich ein Buch mit dem Titel "Berlin - Der Friedhofsführer. Wegweiser zu 50 historischen Friedhöfen" natürlich ganz besonders (ein bißchen Eigenwerbung darf sein oder? ;-)

Der Kunsthistoriker, Fotograf und Autor Boris von Brauchitsch hat, soweit ich sehen kann, zwar eine ganze Reihe von Publikationen aber bisher noch nichts über Friedhöfe veröffentlicht. Doch zeugt seine Einleitung davon, dass er sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt hat.

Mit seinem Buch will er offenbar unter anderem auch die Ehrengräber der Stadt in den Focus rücken, denn in seiner Einleitung geht er auf ihren teilweise ungepflegten Zustand, näher ein. Er hat fünfzig der insgesamt 224 Berliner Friedhöfe - von ihnen sind immerhin noch 182 geöffnet - für sein Buch ausgewählt und stellt mit ihnen über fünfhundert Grabstätten von Prominenten vor.

Friedhof Steglitz mit dem Hinweis auf den Bärliner
Tierfriedhof  (S. 150/1)
Die Friedhöfe sind im Buch in einer chronologischen angeordnet, auch wenn auf den ältesten Anlagen nichts oder kaum noch etwas auf die Ursprungszeit hindeutet und diese Reihenfolge für spätere Zeiten eher etwas beliebig wirkt. Immerhin zeigt eine Karte im rückwärten Umschlag die Lage der behandelten Orte an, so dass man auf diese Weise leicht finden kann, ob der Friedhof, den man gerade besuchen will, in den Führer aufgenommen worden ist. Und natürlich sind alle wichtigen historischen Friedhöfe in dem Band zu finden, daneben hat der Autor aber auch eine Reihe von kleineren und unbekannteren Dorffriedhöfen und Einzelgrabstätten aufgenommen.


Die Beschreibungen sind jeweils aufgeteilt in einen Fließtext zur Friedhofsgeschichte und die Aufzählung der Grabstätten berühmter Persönlichkeiten. Aufgelockert wird der Text durch zahlreiche Fotos. Bei manchen Begräbnisplätzen helfen Lagepläne beim Auffinden der Grabsätten.

Von Brauchitsch hat eine lockere Erzählweise und fasst die wichtigsten Informationen zu den einzelnen Persönlichkeiten knapp zusammen. Sein Buch eignet sich daher durchaus auch dazu, zuhause ab und an einen Blick hinein zu werfen und nur einzelne Passagen zu einem bestimmten Friedhof oder einer Perons zu lesen. Seine fundamentalen Kenntnisse der Berliner Geschichte ermöglichen es ihm nämlich interessante Begebenheiten so in den Text einzustreuen, dass sie amüsant zu lesen sind. Zum Beispiel berichtet er gleich auf den ersten Seiten (S. 15) zur Grabstätte von Rudi Dutschke, wie die Bildzeitung gegen diesen "Wortführer der Studentrevolte" hetzte, auf den dann ein Attentat verübt wurde. Lakonisch fährt der Autor fort, dass heute die "Rudi-Dutschke-Straße die Axel-Spinger-Straße kreuzt" mit der Folge, dass dem Verlag nichts anderes übrig blieb, "als seinen alten Haupteingang an der Rudi-Dutschke-Straße zu vermauern."

Man kann dieses Buch also auch als Geschichtenbuch verstehen, das Lust darauf macht mehr über die Personen zu erfahren, die die Geschichte - nicht nur Berlins - auf die eine oder andere Weise mitbestimmt haben. Dabei sind die Grabstätten nicht nur danach ausgewählt, dass die Bestatteten zu den großen Berühmtheiten gehört haben, auch wenn diese natürlich auch zu finden sind. Aber auch so schöne Begebenheiten, wie die Reise des Droschkenkutschers Gustav Hartmann ist verzeichnet, der auf dem Friedhof Wannsee I begraben liegt und der ein Zeichen "gegen den Niedergang seiner Zunkft setzte, indem er 1928 mit seinem Gefährt bis Paris und zurück fuhr" (S. 111). Mit dieser Auswahl und seiner Fähigkeit die einzelnen Persönlichkeit knapp und treffend zu skizzieren, hat der Autor ein Buch geschrieben, dass mehr ist als ein einfacher Friedhofsführer.

Boris von Brauchitsch, Berlin. Der Friedhofsführer. Wegweiser zu 50 historischen Friedhöfen. Edition Braus, Berlin, 2015, 223 S. zahlreiche Farbabbildungen und Karten