Schon als ich das Buch "Kunst und Memoria" von Claudia Denk und John Ziesemer las, stolperte ich über die amüsante Geschichte von dem "Grab des Herrn Schefbek". Damals las ich sie beim Projekt Gutenberg nach. Jetzt ist der Text in einem schmalen Bändchen von Claudia Denk und Michael Stephan neu herausgegeben worden und gewinnt dadurch noch einmal besondere Aktualität.
Worum geht es? Vordergründig geht es um eine Geschichte, die im München der vorletzten Jahrhundertwende für einen Skandal gesorgt hat: Eine Ehefrau hat ihren - wesentlich älteren - verstorbenen Gatten aus seinem opulenten Wandgrab auf dem Campo Santo des Südfriedhofs exhumieren und in einem schlichten Erdgrab auf einem anderen Münchener Friedhof wieder beisetzen lassen und zwar nur um das teure Grab zu Geld zu machen. Das gelang ihr auch bestens, da die Grabstätten an dieser Stelle sowohl außerordentlich rar wie hochbegehrt waren. Ruederer hat diese Geschichte zu einem Stück Münchener Literatur gemacht.
Claudia Denk verbindet in ihren genauen Erläuterungen und dem anschließenden Nachwort diese Erzählung mit der Realität des Münchener Südfriedhofs. Durch ihre genaue Kenntnis der Quellen kann sie kann aufzeigen, dass und wo sich die Geschichte in Wirklichkeit zugetragen hat, und wie eng sich der Autor an die Realität gehalten hat. Den Zeitgenossen kann es nicht schwer gefallen sein die Bezüge zu den Gräbern auf dem Südfriedhof zu verstehen und die Zusammenhänge zu rekonstruieren. Zugleich aber macht Denk dem heutigen Leser deutlich, warum gerade in einer Zeit, als das neureiche Bürgertum den alten Adel abzulösen begann, als Fabrikanten und Spekulanten über Unmengen von Geld aber noch nicht über das entsprechende gesellschaftliche Ansehen verfügten, die "Prachtwohnungen" auf dem Friedhof eine so wichtige Rolle spielten, dass ihr Verkauf als Skandal empfunden werden konnte.
In dem zweiten Nachwort erzählt Michael Stephan die Lebensgeschichte des Autors Josef Ruederer und würdigt sein Werk, das mit dem Ludwig Thomas in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht Schritt halten konnte.
Das Grab des Herrn Schefbeck. Erzählung. Hg. und mit Erläuterungen und Nachworten versehen von Claudia Denk und Michael Stephan. Allitera Verlag edition monacensia, 128 S., Paperback
€ 12.90