Grabkapelle Demmler auf dem Alten Friedhof in Schwerin (Foto Leisner) |
Die städtischen
Friedhöfe in Mecklenburg und Vorpommern besitzen eine beträchtliche Anzahl an
Grabkapellen und Mausoleen, die sich größtenteils in einem sehr desolaten und
stark gefährdeten Zustand befinden. Mecklenburg-Vorpommern ist das einzige
Bundesland neben Berlin, das über so viele Grabgebäude verfügt und
wahrscheinlich auch das einzige, das bereits Unmengen davon verloren hat, was
die Wichtigkeit dieser Dissertation erklärt. Das Interesse an der
Entstehungsgeschichte, die Erstellung einer exakten Dokumentation und das
Streben um Erhalt in Form von neuen Nutzungskonzepten bildeten dabei die Grundlage.
Mittels der
Gründungsdaten lässt sich ein genauer Zeitraum für die Errichtung dieser Bauten
festlegen – das 19. Jahrhundert. Um zu verstehen,
warum dieser Bautyp überwiegend in diesem Jahrhundert entstand, muss man die
Friedhofsentwicklung betrachten.
Im Mittelalter war
es aufgrund der Angst vor dem Jüngsten Gericht und dem Wunsch nach Seelenheil
üblich, sich in unmittelbarer Nähe der Kirche bestatten zu lassen. Vorrangig
Geistlichen und Adligen war es gestattet sich in der Kirche, im Chor oder
später auch in eigens dafür errichteten Seitenkapellen eine Familiengrabstätte
zu errichten. Das übrige Volk wurde auf dem umliegenden Kirchhof meist namenlos
und ohne jeglichen Grabschmuck beigesetzt.
Dadurch dass die
Kirchhöfe klein, die Sterblichkeit aufgrund von Epidemien, fehlender
hygienischer Aufklärung und medizinischer Entwicklung jedoch sehr groß war,
wurden sogenannte Beinhäuser errichtet. Diese dienten der Aufbewahrung der
sterblichen Überreste, um eine schnellere Wiederbelegung der Gräber zu
gewährleisten. –
Zu Beginn des 19.
Jh. stießen die räumlichen Möglichkeiten und hygienischen Bedingungen an ihre
Grenzen. Es wurde von übelriechenden Ausdünstungen und Verunreinigungen des
Grundwassers berichtet. Frankreich und Österreich bestimmten als erste
europäische Länder die Verlegung der Kirchhöfe vor die Stadt, die auch
maßgeblich für Deutschland wurden. Bei der
Neugestaltung wurde nicht nur auf die Verlagerung vor die Stadttore geachtet,
sondern auch auf die Windrichtung und Höhenlage, um die Stadt vor weiteren "Leichgerüchen" zu schützen. Außerdem wurden längere Ruhefristen gefordert, da aufgrund der Überbelegung der Kirchhöfe
teilweise halbverweste Leichen ausgegraben und in die Beinhäuser geschafft
wurden.
Mit der Neuanlegung
wurden gleichzeitig genau definierte Plätze zur Erbauung von massiven
Erbbegräbnisstätten festgelegt, die sich zumeist an der Friedhofsmauer
befanden. Diejenigen, die ihre Familiengrabstätten in den Kirchen verloren
hatten, bekamen als Entschädigung eine ebenso große Grabstätte auf dem Friedhof
mit der Option, diese mit dem Bau eines Mausoleums oder einer Grabkapelle zu
versehen.
Andere Ursachen für
die Errichtung derartiger Bauten - vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - waren
steigendes Repräsentationsbedürfnis und Prestigedenken innerhalb des erstarkten
Bürgertums. Gerade Kaufleute und Handwerker gelangten - oftmals einhergehend mit dem Wirtschaftswachstum - zu
mehr Ansehen und Wohlstand, den sie gern nach Außen zeigten, indem sie sich ein
bleibendes Denkmal gleich dem Adel setzten.
Um die Bedeutsamkeit
derartiger Bauten auf Stadtfriedhöfen zu verstehen, muss man bedenken, dass
seit dem frühen 18. Jh. Mausoleen nur für die Oberschicht bestimmt waren und
vorrangig in Schlossanlagen und Gutsparks erbaut wurden.
Anja Kretschmer, Greifswald
Anja Kretschmer, Greifswald