Montag, 3. September 2012

Von Grabstätten und Stolpersteinen - Geocache-Tour durch Osnabrück


In Osnabrück wird - so weit ich weiß - erstmalig eine moderne Form der Schatzsuche, das Geocaching, zur Vermittlung von Friedhofs- und Stadtgeschichte genutzt. Ich danke Niels Biewer von der Fachhochschule Osnabrück, der hier extra für die Friedhofsfreunde zusammengefasst, wie eine solche Geocache-Tour aussieht:


"Was geschah zur Zeit des Nationalsozialismus in Osnabrück? Welche Opfer gab es, und welche Täter? Wo finden sich in der Stadt Orte, die an diese Menschen erinnern? Die Geocache-Tour „Von Grabstätten und Stolpersteinen“ führt über 19 Stationen zu Orten der Erinnerung in Osnabrück – zu Grabstätten, Stolpersteinen und anderen denkwürdigen Orten.
Innerhalb eines Forschungsprojekts an der Hochschule Osnabrück (Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur) zur Folgenutzung des Hase- und des Johannisfriedhofs in Osnabrück interessiert uns die Möglichkeit, die beiden Denkmale als Bildungsort zu nutzen. Auf alten Friedhöfen treffen innerhalb eines eingegrenzten Raums die verschiedensten Aspekte aufeinander, die aufgegriffen und in unterschiedlichster Form aufgearbeitet und weitervermittelt werden können.
Für ein „Geocache“-Projekt haben wir den Fokus auf die politische und gesellschaftliche Geschichte gelegt. Gemeinsam mit Cache4You, einem kleinen Betrieb für professionelles Geocaching, haben wir eine Tour zur regionalen Geschichte der NS-Zeit erarbeitet.
Was ist Geocaching?
Geocaching ist eine Art moderne Schnitzeljagd. Bei der einfachen Variante des Geocaching versteckt eine Person einen Schatz, z.B. eine kleine Kiste, auch Geocache oder Cache genannt, in welcher sich ein Logbuch und ggf. Tauschgegenstände befinden, und notiert sich dessen genaue GPS-Koordinaten. Diese sind oft über bestimmte Portale im Internet für jeden abrufbar. Mitspieler können sich mithilfe von GPS-Geräten auf die Suche nach dem Cache machen und wenn er gefunden wurde in das Logbuch eintragen und ggf. einen Gegenstand tauschen.
Beim sogenannten Multicache – der „Friedhofs-Geocache“ wurde ebenfalls als Multicache angelegt – gibt es mehrere Stationen, an denen Fragen beantwortet oder Rätsel gelöst werden müssen, um am Ende den Schatz finden zu können. Diese Form des Geocaching eignet sich sehr gut, um Lerninhalte und Wissen auf spielerische Weise zu vermitteln.
Die Route
Die etwa drei bis vier Stunden lange Tour mit einer Streckenlänge von etwa 6 bis 7 km leitet die Teilnehmer mit Hilfe von GPS-Geräten zu insgesamt 19 Stationen, an denen Aufgaben gelöst werden müssen. Jede Station entführt die Teilnehmer in die Osnabrücker Stadtgeschichte der 30er bis 40er Jahre – die Zeit der Nationalsozialisten und des 2. Weltkriegs. Die Teilnehmer lernen verstorbene Menschen mit eindrucksvollen und oft auch dramatischen Schicksalen kennen, die damals in Osnabrück gelebt haben oder von hier stammten.
Der Ablauf
Vor dem Start gibt es eine kurze Einführung zum Geocaching und der Tour. Auf Wunsch können GPS-Geräte für die Veranstaltung gestellt werden, diese werden ebenfalls erklärt. Am Ende treffen sich alle Teilnehmer beim Schatz. Hier ist noch Zeit, sich über die Eindrücke der Tour auszutauschen.
Die jeweiligen Koordinaten, die in das GPS-Gerät eingeben werden müssen, finden sich im dafür erarbeiteten Aufgabenheft, das an die Teilnehmer ausgeteilt wird. Das Gerät führt die Teilnehmer in die Nähe des jeweiligen Ziels. Dort müssen diese dann ein wenig die Augen offen halten und mit Hilfe der Hinweise im Aufgabenheft die Station suchen. Sobald sie sie gefunden haben, liest einer aus der Gruppe den kurzen Infotext zur Station vor. Am Ende kommt dann die jeweilige Aufgabe. Durch das Lösen der Aufgabe erhalten die Teilnehmer einen Buchstaben und einen Zahlenwert. Sind alle Aufgaben gelöst, lassen sich daraus die Koordinaten des Schatzes errechnen.
Auf den Friedhöfen sollten die Strecken zwischen den Stationen zu Fuß und außerhalb der Friedhöfe mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Natürlich können die Teilnehmer dort auch zu Fuß gehen oder den Bus nehmen.
Die Stationen
Die meisten Stationen, die während der Tour angesteuert werden, befinden sich auf den beiden historischen Friedhöfen. Startpunkt ist der Hasefriedhof mit seinen alten Grabstätten. Nach dem Lösen einiger Aufgaben besuchen die Teilnehmer verschiedene Stationen in der Innenstadt, bis sie schließlich am Ende der Tour den jüdischen Friedhof an der Magdalenenstraße und den historischen Johannisfriedhof erreichen.
Ein 32 Seiten umfassendes Aufgabenheft begleitet die Teilnehmer während der Tour. Zu jeder Station findet sich ein kurzer Text, der einzelne Schicksale vorstellt oder geschichtliche Ereignisse erläutert.
So wird zum Beispiel an der Grabstätte von Siegfried Pelz auf dem Hasefriedhof erzählt, wie der vom Judentum zum Christentum konvertierte Pelz im Deutsch-Französischen Krieg als Feldarzt arbeitete, im Ersten Weltkrieg die Lazarette der Stadt und des Landkreises Osnabrück leitete und Geheimer Sanitätsrat wurde. Als Pelz 1936 starb, hatten ihm die Nationalsozialisten die Ehrenbürgerschaft aberkannt und ihn und seine Familie jahrelang schikaniert.
An der Grabstätte des im Alter von 15 Jahren verstorbenen Konrad Bertels auf dem Johannisfriedhof wird die Geschichte eines Jungen der Hitlerjugend erzählt. Auf dem Stein sind noch schwach das Zeichen der Hitlerjugend und der Spruch „Geboren als Deutscher / Gelebt als Kämpfer / Gefallen als Held / Auferstanden als Volk“ zu erkennen.
Weitere Stationen sind, neben verschiedenen Grabstätten, das Mahnmal Alte Synagoge, Stolpersteine und das Elternhaus des jüdischen Malers Felix Nussbaum in der Innenstadt.
Am Ende wartet der Schatz auf die Teilnehmer – und sie werden viele neue, interessante Dinge über Osnabrücks Geschichte erfahren haben.

Kontakt: schraer@cache4you.de oder N.Biewer@hs-osnabrueck.de
Internet: www.cache4you.com / www.hasefriedhof-johannisfriedhof.de"