Cover des neuesn Bandes der Irseer Dialoge bei Kohlhammer |
Dabei nähern sich die Beiträge in diesem Tagungsband dem Themenkreis der in die Landschaft eingeschriebenen Erinnerung an den Tod von ganz unterschiedlichen Seiten. Zur Einführung definieren die Herausgeber Norbert Fischer und Markwart Herzog die Begriffe Landschaft und Gedächtniskultur, und beziehen dann den Tod in diese Begrifflichkeit ein. Der Zusammenhang dieser drei Begriffe zeigt sich - im Sinne Aleida Assmanns - als Resultat eines gesellschaftlichen Prozesses,"der sein Gedächtnis in jeder historischen Periode neu erfindet und entsprechende Artefakte mit symbolischer Bedeutung versieht."
In dem darauf folgenden Beitrag von Adriana Kapsreiter geht es dann allerdings nicht um zur Landschaft ausgestaltete Natur, sondern um die szenische Abbildung von Landschaft auf spätantiken und frühchristlichen Sarkophagen. Hier schreibt sich die Landschaft sozusagen dem Tod ein und nicht umgekehrt. Dabei bildet nach Aussage der Autorin die Idee einer Landschaft, "sei sie nun idealisiert auf dem Sarkophagrelief wiedergegeben oder tatsächlich als Grabgarten vorhanden, ... eine Brücke zwischen Diesseits und Jenseits". Damit wird im Gegensatz zum Tod, "dem ultimativen Mangel", die Betonung auf Frieden, Glück und unbeschwertes Dasein gelegt.
Das Thema des Gartens nehmen die beiden Beiträge von Geert Robberechts auf. Im ersten geht er der der Frage nach, ob die einfachen Mönche ehemals in dem Obstgarten der belgischen Abtei von Vlierbeek beerdigt wurden. Er kann dafür eine ganze Reihe von sehr überzeugenden Gründen anführen, darunter unter anderem dem berühmten St. Gallener Klosterplan und schließt mit der Aussage, dass Flandern, wenn seine Hypothese stimmt, reich mit klösterlichen Friedhöfen in Form landschaftlicher Obstgärten besetzt war. In seinem zweiten Beitrag wendet er sich den berühmten indischen Mausoleen des Mogulreiches zu, deren bekanntestes das Taj Mahal ist. Er zeigt auf, wie ihre Gärten die Vorstellungen vom Paradies im Islam in ihrer Anlage wiederspiegeln. Dadurch, dass man später dort einen nahen Angehörigen bestattete und ein Grabmonument errichtete, warten die Toten sozusagen im irdischen Paradies auf das himmlische.
Dem Tod in der württembergischen Landschaft widmet sich Anna Marie Pfäfflin und zeigt dabei drei unterschiedliche Konzepte für die Setzung von Erinnerungsmalen in landschaftlicher Umgebung auf, die zeitlich vom 18. in das 19. Jahrhundert reichen. Es geht dabei zum einen um "Scheingrabmale als Kulisse im Landschaftsgarten". Zum anderen wird das Mausoleum für den Reichsgrafen Johann Karl von Zeppelin von 1801/2 als "Freundschaftstempel" und "als Ausdruck privater Trauer" gedeutet. Allerdings wurde dieser Bau auf dem Alten Friedhof von Ludwigsburg errichtet, der 1768 eingeweiht wurde, so dass die landschaftliche Einbettung für mich als Leserin nicht deutlich wird. Als drittes Monument wird mit der monumentalen Kapelle auf dem Württemberg "Das Grabmal als monumentales Denkmal" vorgestellt. Die Autorin zieht das Fazit, dass sich die Grabmäler "aus dem ummauerten absolutistischen Park den Weg in die freie Natur" bahnten, um "sich die heimische Landschaft schließlich unterzuordnen."
Anette Dogerloh, die sich mit ihrer Habilitationsschrift "Strategien des Überdauerns. Das Grab- und Erinnerungsmal im frühen deutschen Landschaftsgarten" ausführlich mit einem wichtigen Aspekt des Tagungsthemas auseinandergesetzt hat, stellt die "Authentizität und Sichtbarkeit" der Grabmale in frühen Landschaftsgärten in den Mittelpunkt. Ihre Beispiele reichen dabei vom dem Inselgrab für Jean Jacques Rousseau, über die wesentlich frühere Grabanlage in Bergendael bei Kleve, bis zu zwei Beispielen aus Wörlitz, bei dem sie das Grab des Gärtners Schoch als Modell für eine Vielzahl weiterer Grabstätten in Landschaftsgärten benennt, besonders deshalb weil "das Ineinandergreifen von Verdienst und Memoria an einem authentischen Ort" die melancholische Aura einer solchen Anlage erheblich verstärken konnte.
Ausführlich setzt sich Ulrich Knufinke mit Grabmälern als politischen Denkmalen zur Zeit der Napoleonischen Kriege auseinander und bezieht sich dabei unter anderen auf die Projekte des Braunschweiger Architekten Peter Joseph Krahe für die französischen Generäle Marceau und Hoche, Seiner Meinung nach machen sie einen grundlegenden Wandel in der Memorialarchitektur und -kultur deutlich, indem sie als klassizistische Heldengräber an die Grab- und Memorialbauten der Antike anknüpfen, die man in dieser Zeit neu als "Erinnerungslandschaften für historische Persönlichkeiten einer 'heroischen' Zeit" zu sehen gelernt hatte. Neu war der explizit territoriale Bezug, der durch die Aufstellung an den Orten der Schlacht gegeben war.
Anna Maria Götz, deren aufwändige Dissertation hier schon besprochen wurde, legt in ihrem Beitrag zu "Weiblichkeit, Tod und Erinnerung auf Parkfriedhöfen um 1900" den Focus auf die Einbettung von weiblichen Grabplastiken in den landschaftlich gestalteten Raum des Ohlsdorfer Friedhofes in Hamburg und konstatiert, dass für diese Figuren ein "wesentliches Gestaltungselement der Grabanlagen die umliegende Landschaft als Kulisse" darstellt.
Dagegen nimmt Gerlinde Gehrig das Thema der Landschaft in der Kunst wieder auf, das im ersten Beitrag auf die Antike bezogen wurde, und interpretiert die Verbindung von Friedhof und Landschaft im Werk von Jeff Wall. Ihrer Meinung nach dokumentiert Wall in seinen beiden Friedhofsfotografien "The Jewish Cemetery" nicht nur die Landschaft als eine vom Menschen erzeugte Topographie, sondern macht sie auch zu einer politischen Landschaft, indem er im zweiten Bild das Holocaust- Mahnmal in die Szene einbezieht.
Am Beispiel der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg erklärt Jörg Skriebeleit den teilweise schwierigen Umgang mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus. Dort überlagern sich die Schichten der Nachnutzung nach dem Ende des 2. Weltkrieges, so dass es zu Auseinandersetzungen über die angemessene Bewahrung und Ausgestaltung des Geländes und seiner verschiedenen "Nutzungsschichten" gekommen ist. Damit thematisiert der Autor zugleich die Frage des Umgangs mit "Relikten, Sinnstiftungen und memorialen Blueprints", wie es im Untertitel seines Beitrages heißt.
Etwas außerhalb der eigentlichen Thematik steht der letzte Beitrag von Markus Walz, der mit einer Vielzahl von Einzelnachweisen, die "Baumspende als neue Manifestation des Totengedenkens" vorstellt. Allerdings ist offenbar der Unterschied zwischen der Anpflanzung von Bäumen, die einer Stadt aus ökologischen Motiven geschenkt werden, und solchen, die zur Erinnerung gepflanzt werden, nicht immer sichtbar. Und vielleicht sollte man an dieser Stelle auch daran denken, dass heute nicht nur Bäume, sondern z.B. auch Bänke zur Erinnerung an Verstorbene aufgestellt und mit entsprechenden Plaketten versehen werden.
Insgesamt geben die in diesem Band versammelten Beiträge einen interessanten und breit gefächerten Einblick in die vielfältigen Fragestellungen, die das Tagungsthema eröffnet.
Norbert Fischer / Markwart Herzog (Hrsg.), Tod - Gedächtnis - Landschaft. Irseer Dialoge Band 21. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2018, Preis: EUR 25,00
In dem darauf folgenden Beitrag von Adriana Kapsreiter geht es dann allerdings nicht um zur Landschaft ausgestaltete Natur, sondern um die szenische Abbildung von Landschaft auf spätantiken und frühchristlichen Sarkophagen. Hier schreibt sich die Landschaft sozusagen dem Tod ein und nicht umgekehrt. Dabei bildet nach Aussage der Autorin die Idee einer Landschaft, "sei sie nun idealisiert auf dem Sarkophagrelief wiedergegeben oder tatsächlich als Grabgarten vorhanden, ... eine Brücke zwischen Diesseits und Jenseits". Damit wird im Gegensatz zum Tod, "dem ultimativen Mangel", die Betonung auf Frieden, Glück und unbeschwertes Dasein gelegt.
Das Thema des Gartens nehmen die beiden Beiträge von Geert Robberechts auf. Im ersten geht er der der Frage nach, ob die einfachen Mönche ehemals in dem Obstgarten der belgischen Abtei von Vlierbeek beerdigt wurden. Er kann dafür eine ganze Reihe von sehr überzeugenden Gründen anführen, darunter unter anderem dem berühmten St. Gallener Klosterplan und schließt mit der Aussage, dass Flandern, wenn seine Hypothese stimmt, reich mit klösterlichen Friedhöfen in Form landschaftlicher Obstgärten besetzt war. In seinem zweiten Beitrag wendet er sich den berühmten indischen Mausoleen des Mogulreiches zu, deren bekanntestes das Taj Mahal ist. Er zeigt auf, wie ihre Gärten die Vorstellungen vom Paradies im Islam in ihrer Anlage wiederspiegeln. Dadurch, dass man später dort einen nahen Angehörigen bestattete und ein Grabmonument errichtete, warten die Toten sozusagen im irdischen Paradies auf das himmlische.
Dem Tod in der württembergischen Landschaft widmet sich Anna Marie Pfäfflin und zeigt dabei drei unterschiedliche Konzepte für die Setzung von Erinnerungsmalen in landschaftlicher Umgebung auf, die zeitlich vom 18. in das 19. Jahrhundert reichen. Es geht dabei zum einen um "Scheingrabmale als Kulisse im Landschaftsgarten". Zum anderen wird das Mausoleum für den Reichsgrafen Johann Karl von Zeppelin von 1801/2 als "Freundschaftstempel" und "als Ausdruck privater Trauer" gedeutet. Allerdings wurde dieser Bau auf dem Alten Friedhof von Ludwigsburg errichtet, der 1768 eingeweiht wurde, so dass die landschaftliche Einbettung für mich als Leserin nicht deutlich wird. Als drittes Monument wird mit der monumentalen Kapelle auf dem Württemberg "Das Grabmal als monumentales Denkmal" vorgestellt. Die Autorin zieht das Fazit, dass sich die Grabmäler "aus dem ummauerten absolutistischen Park den Weg in die freie Natur" bahnten, um "sich die heimische Landschaft schließlich unterzuordnen."
Anette Dogerloh, die sich mit ihrer Habilitationsschrift "Strategien des Überdauerns. Das Grab- und Erinnerungsmal im frühen deutschen Landschaftsgarten" ausführlich mit einem wichtigen Aspekt des Tagungsthemas auseinandergesetzt hat, stellt die "Authentizität und Sichtbarkeit" der Grabmale in frühen Landschaftsgärten in den Mittelpunkt. Ihre Beispiele reichen dabei vom dem Inselgrab für Jean Jacques Rousseau, über die wesentlich frühere Grabanlage in Bergendael bei Kleve, bis zu zwei Beispielen aus Wörlitz, bei dem sie das Grab des Gärtners Schoch als Modell für eine Vielzahl weiterer Grabstätten in Landschaftsgärten benennt, besonders deshalb weil "das Ineinandergreifen von Verdienst und Memoria an einem authentischen Ort" die melancholische Aura einer solchen Anlage erheblich verstärken konnte.
Ausführlich setzt sich Ulrich Knufinke mit Grabmälern als politischen Denkmalen zur Zeit der Napoleonischen Kriege auseinander und bezieht sich dabei unter anderen auf die Projekte des Braunschweiger Architekten Peter Joseph Krahe für die französischen Generäle Marceau und Hoche, Seiner Meinung nach machen sie einen grundlegenden Wandel in der Memorialarchitektur und -kultur deutlich, indem sie als klassizistische Heldengräber an die Grab- und Memorialbauten der Antike anknüpfen, die man in dieser Zeit neu als "Erinnerungslandschaften für historische Persönlichkeiten einer 'heroischen' Zeit" zu sehen gelernt hatte. Neu war der explizit territoriale Bezug, der durch die Aufstellung an den Orten der Schlacht gegeben war.
Anna Maria Götz, deren aufwändige Dissertation hier schon besprochen wurde, legt in ihrem Beitrag zu "Weiblichkeit, Tod und Erinnerung auf Parkfriedhöfen um 1900" den Focus auf die Einbettung von weiblichen Grabplastiken in den landschaftlich gestalteten Raum des Ohlsdorfer Friedhofes in Hamburg und konstatiert, dass für diese Figuren ein "wesentliches Gestaltungselement der Grabanlagen die umliegende Landschaft als Kulisse" darstellt.
Dagegen nimmt Gerlinde Gehrig das Thema der Landschaft in der Kunst wieder auf, das im ersten Beitrag auf die Antike bezogen wurde, und interpretiert die Verbindung von Friedhof und Landschaft im Werk von Jeff Wall. Ihrer Meinung nach dokumentiert Wall in seinen beiden Friedhofsfotografien "The Jewish Cemetery" nicht nur die Landschaft als eine vom Menschen erzeugte Topographie, sondern macht sie auch zu einer politischen Landschaft, indem er im zweiten Bild das Holocaust- Mahnmal in die Szene einbezieht.
Am Beispiel der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg erklärt Jörg Skriebeleit den teilweise schwierigen Umgang mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus. Dort überlagern sich die Schichten der Nachnutzung nach dem Ende des 2. Weltkrieges, so dass es zu Auseinandersetzungen über die angemessene Bewahrung und Ausgestaltung des Geländes und seiner verschiedenen "Nutzungsschichten" gekommen ist. Damit thematisiert der Autor zugleich die Frage des Umgangs mit "Relikten, Sinnstiftungen und memorialen Blueprints", wie es im Untertitel seines Beitrages heißt.
Etwas außerhalb der eigentlichen Thematik steht der letzte Beitrag von Markus Walz, der mit einer Vielzahl von Einzelnachweisen, die "Baumspende als neue Manifestation des Totengedenkens" vorstellt. Allerdings ist offenbar der Unterschied zwischen der Anpflanzung von Bäumen, die einer Stadt aus ökologischen Motiven geschenkt werden, und solchen, die zur Erinnerung gepflanzt werden, nicht immer sichtbar. Und vielleicht sollte man an dieser Stelle auch daran denken, dass heute nicht nur Bäume, sondern z.B. auch Bänke zur Erinnerung an Verstorbene aufgestellt und mit entsprechenden Plaketten versehen werden.
Insgesamt geben die in diesem Band versammelten Beiträge einen interessanten und breit gefächerten Einblick in die vielfältigen Fragestellungen, die das Tagungsthema eröffnet.
Norbert Fischer / Markwart Herzog (Hrsg.), Tod - Gedächtnis - Landschaft. Irseer Dialoge Band 21. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2018, Preis: EUR 25,00